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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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legte sich vorsichtig hin.
    »Sonne Scheiße!«, stöhnte sie dabei.
    »Was war das denn?«
    »Achchchch … dat is mein Kreuz. Da sticht et drin.«
    »Hast du das öfter?«
    »Mmh!«
    »Und was sagt Mennert dazu?«
    Claudia biss sich auf die Lippen und umklammerte mit beiden Händen die Bettdecke. Sie hatte also noch niemandem davon erzählt.
    »Und dat werd ich auch erst ma nich tun«, erklärte sie mir, »weil … dann will der punktieren … Nee! «
    Dass Claudia sich vor der Lumbalpunktion fürchtete, konnte ich verstehen. Ich selbst hatte diese Prozedur mehrmals durchstehen müssen, und sie war in meiner Erinnerung das Schlimmste, was mir überhaupt je widerfahren war. Aufgerichtet saß man auf einer Liege, die Beine gerade nach vorn, den Arzt im Rücken, sodass man nicht einmal sein Gesicht sehen konnte. Dann glitt er mit den Fingern über die Wirbelkörper, um an einem hängen zu bleiben. Man ahnte die Gefahr, spürte plötzlich die spitze Nadel, die sich in den Rückenmarkskanal bohrte, spürte den unerträglichen Schmerz des Brennens und des Ziehens … und dann floss der Liquor – die Körperflüssigkeit, um die es ging – nicht ab, und deshalb wurde die Nadel wieder herausgezogen, bohrte sich an einer anderen Stelle erneut in das Mark, und man schrie … schrie … Noch Stunden später konnte man den Schmerz zurückholen, noch nach Monaten war das Grauen lebendig, als hätte man es gerade erst erlebt.
    Ja, ich konnte verstehen, dass Claudia sich vor der Lumbalpunktion fürchtete, dass sie lieber die Schmerzen ertrug, statt diese Qual über sich ergehen zu lassen. »Das kommt ganz bestimmt vom vielen Liegen«, sagte ich.
    Claudia sah mich nur an mit diesem müden Blick, der mich schon einmal so erschreckt hatte und der mich auch jetzt wieder erschreckte, für den ich ihr aber von Herzen dankbar war in diesem Moment, weil sich durch ihn jedes weitere Wort erübrigte. Ich ahnte die Wahrheit auch so, ich brauchte bloß auf die Rosen zu schauen, diese tiefroten Rosen, die mich von Anfang an so erschreckt hatten. Sie waren zu schön für einen Geburtstagsstrauß, sie waren zu feierlich für ein Krankenzimmer, sie gehörten … doch daran wollte ich nicht einmal denken.
    Claudias Rückenschmerzen kamen natürlich nicht vom vielen Liegen, und wie ich bald schon feststellte, wurden sie mit jedem Tag und mit jeder Stunde schlimmer. Immer häufiger traten die Stiche auf, dauerten immer länger, wüteten plötzlich an mehreren Stellen, dann sogar an mehreren Stellen zur gleichen Zeit. Der Schmerz, der am 14. Mai noch Ausnahmezustand gewesen war, war bereits zehn Tage später zum Dauerzustand geworden.
    Die Ärzte reagierten schnell. Nacheinander wurden zahlreiche Untersuchungen vorgenommen, auch die gefürchtete Lumbalpunktion, und da Claudia endlich Schmerzmittel bekam, ertrug sie all die Qualen mit bewundernswerter Fassung. »Son bissken Punktiern is nix gegen dat, wat ich hinter mir hab!«, sagte sie immer wieder und blickte dabei voller Dankbarkeit auf den Infusionsständer zu ihrer Linken. Tag und Nacht flossen nunmehr Kochsalzlösungen in ihre Venen, und jeder Tropf wurde angereichert mit der geheimnisvollen Spritze, um die es im Grunde ging. Sie war es, die Claudia schmerzfrei machte, sie war der eine Kubikzentimeter, der für Claudia die Hölle vom Himmel trennte. Dennoch wollte sie schon wenige Tage nach der ersten Untersuchung das Ergebnis erfahren. Sie stieß dabei auf verschlossene Türen. Es hieß, man könnte sich nicht endgültig äußern, bevor nicht sämtliche Einzelergebnisse vorlägen.
    Da hatte es sich schon mit Claudias Dankbarkeit. »Na?«, fragte sie fortan jedes Mal, wenn Mennert oder Behringer in greifbarer Nähe waren. »Wie geht et mir?«
    »Den Umständen entsprechend gut!«, antworteten die dann in aller Regel, und das ließ Claudia sich auf Dauer natürlich nicht bieten. Sie wusste auch, dass diese Medizinerphrase eine bloße Ausflucht war.
    »Dat heißt nix andret wie: Beschissen, Frollein, aber abkratzen tuse ers später!«
    So redete sie sich im Laufe der Zeit immer mehr ein, das Opfer einer Verschwörung zu sein, und eines schönen Tages war sie der felsenfesten Überzeugung, diese Verschwörung durchschaut zu haben.
    »Wa ich doof!«, kreischte sie auf und schnippte mit den Fingern. »Wo dat sonnen ollen Trick is!«
    »Wie?« Ich wusste wieder mal nicht, wovon sie sprach.
    »Jau!«, bekräftigte sie. »En ganz ollen und en ganz miesen Trick is dat. Den ham se schon bei de alten

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