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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Egypter gekannt. Da ham se ne Mumje ausgebuddelt und in der ihrn Bart, da wa en Stücksken Pergament eingewickelt, und da stand drauf: Erledicht, Jacoby!«
    Ich wusste noch immer nicht, wovon sie sprach.
    »Dat weiße nich?!«, pflaumte sie mich an. »Sach bloß, du erinners dich nich mehr, wie dat bei dir mitte Befunde wa, die angeblich nich kamen.«
    Dass ich mich daran noch erinnerte, verstand sich von selbst.
    »Na prima!«, frohlockte Claudia. »Dann weiße ja auch noch, wie dat Spiel ging, wat wir damals mit dir gespielt ham. Ich wusste, datte Krebs has, ich durft et dir bloß nich sagen …«
    Endlich schwante mir, worauf sie hinauswollte. »Und deshalb glaubst du, dass es jetzt genauso ist?«, fragte ich.
    »Na, logo!«
    »Es ist aber nicht so!«
    »Eva!?«
    »Es ist wirklich nicht so!«
    »Wat willse? En alten Clown dat Fratzenschneiden lehren?«
    Von diesem Augenblick an wollte Claudia auf Biegen und Brechen die Wahrheit von mir erfahren. Dass ich diese Wahrheit nicht kannte, glaubte sie mir einfach nicht. In ihren Augen log ich sie an, verschwieg alles, hinterging sie schändlich. Sprach ich fortan drei Worte mit den Ärzten, so behauptete sie, wir »Schweine« hätten eine Geheimsprache, wechselte ich einen Blick mit den Schwestern, kreischte sie, wir »Kühe« hätten uns gegen sie verbündet. Tag für Tag ging das so. Als ich eines Morgens von einer Blutabnahme kam, die wegen eines Notfalls wesentlich länger gedauert hatte als erwartet, wurde ich mit den Worten empfangen: »Wo komms du her, du Miststück???«
    Obwohl ich an so etwas längst hätte gewöhnt sein müssen, brachte es mich jedes Mal erneut aus der Fassung, so auch dieses Mal.
    »Erlaube mal!«, gab ich zurück. »Ich war –«
    »Ich weiß genau, wo de was«, kreischte sie sofort. »Mit den Ärschen hasse rumgelabert. Wann ich abkratz, ham die dir gesacht!«
    »Du bist ja verrückt, Claudia, ich war beim Blutabnehmen, und das hat –«
    »Wat? Über ne Stunde beit Blutabnehm? Lüch doch nich, Eva, mehr wie fünf Liter kriegense auch aus dir nich raus!«
    »Claudia!«
    »Sach et mir!«, keifte sie weiter.
    »Was?«
    »Da is wat in mein Kreuz, dat spür ich. Sach mir, dat dat nix Schlimmet is, Eva!«
    »Ich weiß aber doch nicht, ob es –«
    »Du lüchs!«
    »Nein, Claudia, ich –«
    »Et is also doch wat Schlimmet?«
    »Nein, Claudia, es ist bestimmt nur –«
    »Du lüchs schon widder, Eva!«
    »Nein!!!«
    »Ach, dann leck mich doch am Arsch!!!«
    So ging das meist aus, und je häufiger solche Beschimpfungen vorkamen, desto größere Mühe machte es mir, sie hinzunehmen. Dennoch nahm ich sie hin. Fast zwanghaft bemühte ich mich, keine Bitterkeit aufkommen zu lassen und Claudia zu verzeihen, und das alles tat ich nicht etwa, weil ich so fromm und so gut war, sondern weil ich ein erdrückend schlechtes Gewissen hatte. Immer wieder musste ich an das denken, was Claudia mir vor noch gar nicht langer Zeit gesagt hatte. Nur um mich nicht zu verlieren, hatte sie versucht, genauso zu sein wie ich, und dabei hatte sie viel zu spät bemerkt, dass ich gefährlich für sie war.
    »Dat hat wat mitte Kräfte zu tun …«
    Wie sie das gemeint hatte, wurde mir erst jetzt klar. Claudia hatte sehr viel mehr physische Kraft als ich. Diese Kraft war durchaus greifbar und so allgegenwärtig, dass sie auch ihren Verstand zu beherrschen schien: Claudia schien mit der ganzen Kraft ihres Körpers zu denken. Bei mir verhielt es sich genau umgekehrt: Ich steuerte die Physis fast ausschließlich durch die Kraft meiner Gedanken.
    Früher hatten wir diesen Gegensatz respektiert, er hatte wie ein Magnetfeld gewirkt. Wir trieben aufeinander zu, passten aber im letzten Moment immer auf, dass wir nicht zusammenprallten. Irgendwann hatten wir dann nicht mehr aufgepasst, und seitdem war Claudia in dem gleichen Maße schwächer geworden, in dem ich stärker geworden war. Sie verfiel mit jedem Tag mehr, konnte bald kaum noch stehen und erst recht nicht mehr laufen, während mein eigener Körper spielend mit dem anfangs so gefürchteten Ende der Chemotherapie fertig wurde. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, er gedieh prächtig.
    Das belastete mich so sehr, dass ich anfing, mir gewisse Beschwerden einzubilden. Ich brauchte das, um wenigstens einen Teil meiner Schuld abzubüßen, und es klappte auch ganz großartig. Wie auf Kommando spielte mein Kreislauf plötzlich nicht mehr mit, mein Herz raste, meine Muskeln zuckten und bebten, ohne dass ich etwas dagegen tun

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