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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Udo dieses Lied ausschließlich für sie geschrieben hatte.
    »Der hat dat gewusst, dat ich mich so fühl …«
    Etwa zwei Stunden später endete er auch schon, der letzte Tag im Leben der Claudia Jacoby, ein herrlicher Tag, ein besonderer Tag, ein Tag wie jeder andere. Die Nachtschwester kam und brachte die Medikamente und die mittlerweile handelsüblich gewordene Milch: Die längste Nacht im Leben der Eva Martin begann.
    »Heut nich wechschütten, Evken!«
    »Wie?« Ich hatte das Glas mit der Milch schon in der Hand, um es wieder mal über dem Ausguss zu entleeren.
    »Heut brauch ich dat Zeuch!«
    »Was?«
    »Altet Mörder-Rezept!«, griente Claudia. »Wenn de deine olle Oma kaltmachen wills und nich für innen Knast wills, musse einfach zehn olle Omas kaltmachen – dann is et ne Serje und de Polizei is am Rumsuchen. Schlau, ne?«
    Ich nickte anerkennend und wurde sodann ins Bad geschickt, um die Milch in eines unserer Zahngläser zu schütten.
    »Lass aber ein Schlücksken drin in dat Milchglas, Eva, nur en ganz klein Schlücksken!«
    »Und dann?«
    »Bringse mir beide Gläskes her!«
    Ich verstand zwar nicht, was das sollte, erledigte den Auftrag aber zu Claudias vollster Zufriedenheit. Ich hatte schließlich versprochen, alles zu tun, was sie verlangte, und keine Fragen zu stellen.
    Als ich aus dem Bad zurückkam, ließ sie das Zahnglas mit der Milch in ihrem Nachttisch verschwinden, und das fast leere Milchglas platzierte sie demonstrativ auf ihrem Nachttisch.
    »Und jetzt?«, fragte ich gleich wieder.
    »Jetz machse Fernsehn an!«
    »Fernsehen …?«
    »Ich glaub, den Kuli is drin!«
    »Kuli …? … Aha!«
    Mehr fiel mir dazu nicht ein. Wie man an Selbstmord und zugleich an den witzigen, charmanten und gescheiten Hans-Joachim Kulenkampff denken konnte, blieb mir rätselhaft, aber Claudia hatte ja schon immer für alles ihre ganz speziellen Gründe gehabt. Also schaltete ich den Fernsehapparat ein, um dann festzustellen, dass sie sich ausgerechnet heute geirrt und zu früh gefreut hatte. Nicht ihr über alles geliebter »Kuli« flimmerte über den Bildschirm, sondern im einen Programm eine ermüdende Musiksendung und im anderen ein langweiliger Spielfilm über »Beziehungskisten«.
    »Sonnen Scheiß!«, moserte sie. » Einer wird gewinnen hätt mir grad heut so gut gepasst! – Wat sachte Uhr?«
    Diese abschließende Frage stellte sie mir in den folgenden achtzig Minuten noch genau dreiundzwanzigmal, und dabei wirkte sie von Mal zu Mal nervöser. Erst als ich beim vierundzwanzigsten Mal »21.30 Uhr!«, antwortete, erhellten sich ihre Gesichtszüge.
    »Dann wird et jetz ernst, Evken! – Hol mir ma de Pillekes aus en Schrank!«
    Ich schluckte. Ich hatte es mir fest vorgenommen, keine Schwierigkeiten zu machen und anstandslos zu »funktionieren«. Aber trotz dieser guten Vorsätze begann mein Herz jetzt zu rasen, und mein ganzer Körper fing an zu beben.
    »Sofort?«, hauchte ich ängstlich.
    »Mmh!«
    »Aber … –«
    »Du has et mir versprochen!«
    Für einen kurzen Augenblick sehnte ich mich nach einem raschen Herztod – Sterbehelfer vom Schlag getroffen –, ich sah schon die Schlagzeile. Doch durfte ich darauf ebenso wenig hoffen wie auf eine bequeme Kino-Lösung, nach der Claudia just in dem Moment, da ich im Begriff war, mich schuldig zu machen, eines natürlichen Todes starb. So etwas gab es im wirklichen Leben nicht. Im wirklichen Leben musste man sich bekennen, und genau das tat ich jetzt. Ich holte tief Luft, als könnte ich mir damit Mut machen, hangelte mich aus dem Bett, wankte mit zitternden Knien zum Schrank, ergriff die Plastiktüte mit den Tabletten. Sie war klein, diese Tüte. Kaum größer als ein halber Briefbogen und weiß wie die Unschuld lag sie in meiner Hand, ein bisschen zerknittert, tödlich. Ich betrachtete sie wie eine giftige Pflanze, deren unscheinbares Blattwerk den Unwissenden nichts Böses ahnen ließ, und trug sie zu Claudia hinüber.
    »Lech auf en Nachttisch!«, sagte sie sofort. »Und hol mir en Glas wamet Wasser!«
    »Warmes Wasser?«
    Sie nickte, und so erledigte ich auch das, was Claudia endlich zu einem zufriedenen Grinsen veranlasste.
    »So, Evken«, fuhr sie fort, »und jetz gehse raus und frachs dat Mariechen, ob se ne Nadel und en Faden hat für dat hier!«
    Sie drückte mir einen Waschlappen in die Hand, dessen Aufhänger abgerissen war.
    »Das ist ja meiner!«, entfuhr es mir.
    »Nu mach kein Zoff!«, entgegnete Claudia ungeduldig.
    »Mach ich ja nicht, nur

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