Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
Vom Netzwerk:
du es tätest.«
    Auch dazu sagte sie nichts, aber sie nahm das Foto in beide Hände und presste es fest an ihre Brust.
    »Hör ma«, sagte sie dann nach einer Weile, »wenn ihn herkommt, den Willi, dann … dann sach ihn doch bitte, … dat ich … ach Scheiße, sach ihn ga nix. Geb ihn bloß den Brief!«
    »Claudia!«, beschwor ich sie. »Du solltest wirklich –«
    »Pack dat wech, Eva, schnell!« Fast gewaltsam drückte sie mir das Foto in die Hand.
    »Aber Claudia –«
    »Ich will et nich mehr sehn …!«
    »Aber –«
    »Und mach mir dat Bett noch ebent flach, sons fang ich trotz dat Tüchsken nachher an zu schnaufen, und einen riecht Lunte …«
    Ich seufzte. Es war noch nie möglich gewesen, mit Claudia über Dinge zu reden, über die sie nicht reden wollte, und dass sich daran in den letzten Stunden ihres Lebens noch etwas ändern sollte, war unwahrscheinlich. Also legte ich Willis Foto in meinen Nachttisch zu den Briefen – wie gewünscht – und drehte das Bett herunter – wie gewünscht. Dann setzte ich mich zu Claudia, dicht neben sie, so dicht, dass ich die Wärme ihres Körpers spüren konnte.
    »Merkst du schon etwas?«, fragte ich sie.
    Sie nickte. »De Beine werden kalt … und de Rückenschmerzen lassen nach … aber dat wird ja nu auch langsam Zeit.« Sie sah mich an. »Lech dich besser hin, Evken! Damitte dich nich erkältes!«
    Als sie das ausgesprochen hatte, mussten wir beide darüber lachen, richtig lachen.
    »Hat dat nich scho ma einen gesacht?«
    »Der Behringer«, erwiderte ich, »an dem Tag, an dem ich hier eingeliefert wurde.«
    »Jau, wegen deine …« Sie lächelte nachdenklich vor sich hin. »… wa eigentlich nich schlecht hier«, sagte sie dann, »… wa zwa beschissen, aber Spaß ham wir trotzdem immer gehabt. Ne?«
    Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, der immer dicker wurde.
    »Ja«, presste ich hervor, »Spaß hatten wir immer … weißt du noch, was du mir mal über den Humor gesagt hast?«
    »Nee!«
    »Wenn man lacht«, wiederholte ich ihre Worte, »dann ist nichts weiter weg als der Tod!«
    »Dat soll ich gesacht ham?«, vergewisserte sie sich.
    »Ja.«
    Sie sah mir tief in die Augen. »Du bis schon en komischet Persönken«, meinte sie dann. »Du has so vielet von mir übernommen … aber du has ebent en ganz andern Kopp wie ich. Und vielleicht schaffse dat ja, den Krebs mit dein Kopp zu überlisten.«
    »Glaubst du?«
    Sie versetzte mir einen liebevollen Stups in die Seite. »De Chemo hasse ja scho ma geschafft!«
    Ich war fassungslos. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben, dieses mein Erfolgserlebnis für mich zu behalten.
    »Das weißt du?«, stieß ich ganz erschüttert aus. »Ich dachte …«
    Claudia schmunzelte. »Ich weiß allet!«, sagte sie. »Aber ich fand dat nett, dat du mir nix davon gesacht hast … echt nett!«
    Mir kamen die Tränen. Sie stiegen in Wellen in meine Augen, und durch den Schleier sah ich Claudia an, wie ich noch nie zuvor einen Menschen angesehen hatte. Ich verschlang sie förmlich mit meinen Blicken, ich versuchte, sie in ihrer Gesamtheit zu verinnerlichen, als könnte ich damit einen Teil von ihr zurückbehalten, und ich versuchte, mir vorzustellen, wie es wohl morgen sein würde, morgen, wenn es Claudia nicht mehr gab.
    »Hast du Angst?«
    »Nee!«
    »Wirklich nicht?«
    »Nee!«
    »Glaubst du denn, dass nach dem Tod nichts mehr kommt?«
    »Dat ich mein Vatter wiederseh, glaub ich jedenfalls nich!«
    »Und dass du Gott begegnen könntest, denkst du da mal dran?«
    Claudia überlegte angestrengt, und ich bemerkte erst viel zu spät, wie viel Mühe ihr das bereits machte. Dennoch beantwortete sie mir meine Frage nach einer Weile.
    »Wenn schon!«, sagte sie scheinbar leichten Herzens. »Wenn dat passiert, dann entschuldige ich mich ebent, dat ich hier unten nich an ihm geglaubt hab, und aus! Der verzeiht mir dat schon! Dat muss der bei dat Scheißleben, wat er mir aufgebrockt hat!«
    »Und wenn er das nicht tut?«
    »Mach ich Krach!«
    Claudia meinte das ganz ernst. Das spürte ich nicht nur, sondern das las ich auch in ihrem Gesicht, das verriet mir ihre Stimme, und deshalb musste ich darüber lachen. Ich sah plötzlich ein Bild meiner Kindheit vor mir: Ich sah Wolken mit blond gelockten Engeln, die Harfen in den Händen hielten, ich sah Petrus, der das Himmelstor bewachte – und mittendrin sah ich eine motzende Claudia, die sich gerade vor lauter Wut den ersten Flügel ausgerissen hatte.
    »Wenn es wirklich so ist da oben«, lachte ich,

Weitere Kostenlose Bücher