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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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geschlossen zu halten, aber die Augen begannen zu tränen, und ich konnte kaum mehr erkennen, wohin ich überhaupt trat.
    Nach etwa zehn Minuten Fußweg erreichte ich die Innenstadt. Sie war sonntäglich leer gefegt, wirkte aber bunter als sonst. Ihre Lichter glitzerten in tausend verschiedenen Farben, und inmitten all dieses Glanzes brillierte ein Stern: mein Theater.
    Der Pförtner grinste, als ich verfroren eintrat und meine Schuhe abklopfte.
    Mein Hals war plötzlich so trocken, dass ich kein verständliches Wort hervorbrachte.
    Oben in der Garderobe drehte ich hastig die Heizkörper auf, zog die Vorhänge zu, schaltete das Licht ein und zog mich um. Darüber kam Peter herein.
    »Im ersten Teil vom Pas de deux etwas mehr verzögern«, begrüßte er mich. »Dafür am Ende vom zweiten Teil schneller, Eva. Und nicht so viel Schwung! Mach es mit Gefühl, kapiert!«
    »Ja.«
    »Dann beweg deinen Arsch!!!«
    Er hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, als er auch schon wieder fort war.
    Nach einem kurzen Aufwärmtraining stand ich pünktlich um fünf Uhr im Ballettsaal. Peter gönnte mir wie gewöhnlich keinen Blick. Frau Gruber machte sich am Tonbandgerät zu schaffen.
    »Von wo an?«, fragte ich sie.
    »Hör hin!«
    Die Hebungen klappten eine wie die andere. Blieb nur die Schlusshebung, unser ganz spezielles Sorgenkind.
    Ich musste aus einem tiefen Plié abspringen, und Peter ergriff am höchsten Punkt des Sprunges meinen Oberschenkel, warf mich mit einer halben Drehung über seinen Kopf, um mich in einer Haltung aufzufangen, die gemeinhin »Fisch« genannt wurde.
    Ich beherrschte jede einzelne Phase des Bewegungsablaufes im Schlaf und stellte mich auch dieses Mal präzise in Position, machte eine Glissade, sprang ab – und schlug unmittelbar danach auf dem harten Holzboden auf.
    Das war am Vortag auch schon passiert und wurde von den anderen gelassen hingenommen.
    »Gleich noch einmal!«, tönte meine Ballettmeisterin voller Mitgefühl. »Ohne Musik!« Peter knurrte indes vor sich hin.
    »Wie viel wiegst du, du Kuh? Verrat mir das!«
    »Neunzig Pfund.«
    »Mit Bett oder ohne?«
    Ich wog in Wahrheit zwar nur mehr zweiundachtzig Pfund, aber das wollte ich auf keinen Fall zugeben. Stattdessen stellte ich mich wiederum in Position, machte meine Glissade, sprang ab – und stürzte erneut.
    Frau Gruber seufzte.
    »Entweder Peter hat Recht«, sagte sie, »und du bist tatsächlich viel leichter als vor Monaten …«
    »Oder?«, hechelte ich hastig.
    »Oder du nimmst zu viel Schwung. – Nimm noch mehr Schwung. Mach keine halbe Drehung, sondern eine anderthalbe!«
    »Aber –«
    »Red nicht, Eva, tu es!«
    Ich tat es, aber ohne Erfolg. Ich stürzte und stürzte, und schließlich brach ich in Tränen aus.
    »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht immer gleich flennen sollst, Eva!«
    »Es ist aber doch mein Blut, was hier fließt!«, schluchzte ich.
    »Na und?«, gab Frau Gruber zurück. »Was willst du denn? Sieg oder Niederlage?«
    »Sieg …!«, wimmerte ich.
    »Dann tu was dafür! Ein Sieg hat seinen Preis. Weiter, Eva!« Ich ließ mich überreden; nach elf weiteren Stürzen und einer Schürfwunde am rechten Knie war es schließlich vollbracht: Ich knallte nicht auf den Boden, sondern wurde vorschriftsmäßig aufgefangen.
    »Siehst du?«, frohlockte Frau Gruber, »man darf niemals aufgeben. Gleich noch einmal!« Wieder klappte es. »Und noch einmal, Eva! Und ein letztes Mal, Eva! Und ein allerletztes Mal! Jawohl!«
    Ich konnte es kaum fassen, meine Ballettmeisterin gab sich ganz offensichtlich zufrieden. Peter aber hob drohend die Hand und sagte:
    »Wenn du die Hebung in der Vorstellung vergeigst, Eva, wenn das passiert, ich schwöre dir, wenn das passiert –«
    »Es wird nicht passieren!«
    Frau Grubers Stimme klang scharf wie nie zuvor. Ich flüchtete in die Garderobe. Inzwischen war Hilary eingetroffen. Demonstrativ ausgeruht saß sie an ihrem Schminktisch, trank Kaffee und rauchte eine Zigarette.
    »Na«, begrüßte sie mich, »wieder mal fleißiger gewesen als die anderen?«
    »Es genügt, wenn eine schlampt!«, gab ich zickig zurück.
    Die Garderobe war voller Blumen und Päckchen, und auf meinem Schminktisch häuften sich die Karten, auf denen toi, toi, toi stand. Unwirsch schob ich alles beiseite und wechselte das durchnässte Trikot. Darüber kam Frau Schmidt herein.
    »Ach, da sind Sie ja endlich, Eva-Kind, ich hab’ schon so auf Sie gewartet!«
    Das hatte mir gerade noch gefehlt.
    »Unten in der

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