Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
Vom Netzwerk:
Dann aber sah ich die Leute um mich her, sie hielten den Atem an. Ich sah Peters Augen, die starr in die meinen blickten, ich sah Frau Grubers Gesicht, und ich hörte, wie sie rief: »… Und …!« Wie auf Kommando sprang ich ab, spürte die Rotation in meinem Körper: halb, ganz, anderthalb, Fisch!
    »Na bitte!«, tönte meine Ballettmeisterin.
    Noch während des Schlussakkords brach das Publikum in frenetischen Jubel aus. Es drang von fern bis zu mir vor und ließ alles in einem anderen Licht erscheinen. Mein Schweiß, meine Tränen und meine Einsamkeit, die verlorene Kindheit und die verschenkte Jugend, ja, sogar meine Schmerzen und all die vielen Tabletten, sie schienen sich plötzlich gelohnt zu haben, für diesen einen Augenblick.
    Während das Corps begann, die Huldigungen des Publikums entgegenzunehmen, lehnte ich in der Gasse. Frau Gruber trat zu mir.
    »Eva!«
    Ich sah sie an, aber ihr Gesicht verschwamm vor meinen Augen. »War ich gut?«, hauchte ich.
    »Man konnte hinsehen.«
    Ich hörte das, begriff es aber nicht. Von fremder Glückseligkeit erfasst, strahlte ich sie an. »Ich werde niemals aufhören zu tanzen, Frau Gruber. Niemals! Man wird mich auf der Bühne erschießen müssen, um mich loszuwerden.«
    »Eva! Was ist mit deinen Augen?«
    »Was?«
    »Deine Pupillen, … die …«
    Im selben Moment kam Jimmy. »Du warst … so was habe ich noch nie … Applausordnung.«
    Er stammelte wie ein Kind.
    Liebevoll schob er mich auf die Bühne, wo Peter die stehenden Ovationen der Menge bereits entgegengenommen hatte, den Arm ausstreckte … das war mein Zeichen.
    So trippelte ich auf ihn zu, ergriff seine Hand, verbeugte mich tief und fühlte plötzlich, wie weit ich von alldem weg war, was so nahe schien. Die Welt, in der ich mich bewegte, war nicht die, in der ich lebte, nicht in diesem Augenblick. Die Euphorie, die mich während der Vorstellung erfasst hatte, war dahin. Übelkeit erfasste mich, mir wurde schwarz vor Augen. Dennoch gelang es mir irgendwie, meine Pflicht zu tun. Ich »holte« Jimmy, der gemäß Applausordnung von mir zu »holen« war, weil er angeblich nicht allein gehen konnte. Das Gleiche galt für den Herrn Generalmusikdirektor, der sich wie gewöhnlich zierte wie eine Jungfrau, verlegen mit den Frackschwänzen schlackerte und mir schmachtend die Hände küsste. Das Publikum fand das auch noch großartig.
    Dann folgten die Vorhänge, zehn, fünfzehn, vielleicht sogar noch mehr. Nach jedem Mal fühlte ich mich schlechter, und Frau Grubers Schimpfen dröhnte mir in den Ohren.
    »Ich will, dass du lächelst!«, keifte sie mich an. »Wie du dich fühlst, interessiert da unten keinen Menschen. Lächeln! «
    Sie machte es mir vor, und ich erschrak, denn ihr Gesicht glich plötzlich einer Fratze. Zugleich begann der Boden unter mir zu schwanken, die Luft wurde dicker und dicker, kalter Schweiß umhüllte meinen Körper.
    Der letzte Vorhang war gefallen.
    Ich fühlte mich, als steuerte ich in einem führerlosen Boot auf einen reißenden Abgrund zu. Ich sank zu Boden, und dabei spürte ich jede einzelne Phase dieses Sinkens, ich dachte an die Tabletten in meiner Handtasche und an meine Großmutter, die gestorben war, als ich noch ein kleines Mädchen war, und an saure Gurken und an meine ersten Pliés und an meine Eltern, die jetzt sicher schon in der Garderobe auf mich warteten, und an rote Rosen dachte ich, an den Tod.
    »Schnell!«, hörte ich jemanden rufen. »Einen Arzt, schnell!«
    Dann schloss ich die Augen.

KAPITEL 4
    Doktor Laser führte eine luxuriöse Praxis mit dicken Velours-Teppichböden, schweren Ledergarnituren und geschmackvollen Gemälden an den Wänden. Das gefiel mir. Es nahm mir etwas von der Angst, den Händen eines Mediziners ausgeliefert zu sein. Laser selbst war groß, schlank und drahtig, seine braun gebrannte Haut war zweifellos dem zweiten Wohnsitz in Monte Carlo zuzuschreiben, und die Armbanduhr an seinem Handgelenk verriet, wie einträglich das Geschäft mit den Privatpatienten doch war.
    »Fräulein Martin!«, begrüßte er mich freudestrahlend. »Geht es Ihnen besser?«
    »Ja, danke!«, log ich.
    Dann erkundigte sich Herr Doktor Laser eingehend nach meinen Lebensumständen.
    »Es könnte natürlich sein, dass Ihr Körper derartigen Kraftanstrengungen auf Dauer nicht gewachsen ist«, meinte er dazu.
    Sofort verneinte ich auf das Heftigste und verwies auf die Knoten in meinen Leistenbeugen. Ich war sicher, er hätte sie längst entdeckt.
    »Was für Knoten?«,

Weitere Kostenlose Bücher