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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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aber ich konnte nicht damit aufhören.
    Ich musste mich konzentrieren. Ich brauchte all meine Kraft, um meinem Hirn zu befehlen, die Beine zu bewegen. Dabei erwartete ich gar kein Wunder. Ich wollte ja nur mal kurz die Knie beugen, die Füße strecken, die Zehenspitzen anheben. Es dauerte Ewigkeiten, bis es mir endlich gelang, und als es gelang, durchfuhr ein so unbändiger Schmerz meinen Körper, dass ich laut aufschrie.
    Sofort war eine grün vermummte Frau zur Stelle.
    »Sie müs… ruh… lie… blei…!«, sagte sie, und da ich sie daraufhin wohl ziemlich entsetzt anstarrte, wiederholte sie es noch einige Male:
    »Sie müs… ruh… lie… blei…!«
    So ähnlich klang mein Kassettenrecorder, wenn die Batterien am Ende waren. Im nächsten Moment war ich schon wieder eingeschlafen.
    Diesmal war es Nacht in meinen Träumen. Ich stand auf einem Marktplatz, ganz allein, umgeben von diesen Verkaufswagen, auf denen »Heiners Fische« oder »Geflügel Fein« zu lesen war. Ein paar alte Zeitungen lagen auf dem schmutzigen Kopfsteinpflaster. Ich fröstelte. Da standen plötzlich diese Männer vor mir. Es waren viele, sie waren noch jung, sie trugen schwarze Lederhosen und schwarze Lederjacken, und in ihren Händen hielten sie spitze, scharfe Messer. Ich wollte schreien, aber da griff der erste mich auch schon an. Mitten in den Bauch stieß er mir die Klinge, und ehe ich mich versah, taten die anderen es ihm gleich, es schmerzte, und ich wollte weglaufen, dem Schmerz davonlaufen …
    »Liegen Sie ruhig, Frau Martin! Verdammt noch mal, Sie reißen sich noch die Kanüle heraus, das muss doch nicht sein!«
    Schon wieder stand die grüne Frau an meinem Bett und schimpfte. Ich hörte jedes Wort, ich sah sie ganz genau, obwohl meine Augen tränten und brannten. Unterhalb meiner Taille herrschte Kriegszustand. Mir war, als wäre dort eine riesige blutende Höhle, in der fremde Hände voller Sadismus herumwühlten, um alles darin zu zerstören.
    Mit jedem Augenblick wurde das schlimmer. Ich konnte es nicht aushalten.
    »Sie sollen still liegen!«, befahl die grüne Frau gleich wieder. »Versuchen Sie zu schlafen, Frau Martin … meine Güte!«
    Die beiden letzten Worte sprach sie mehr zu sich selbst als zu mir; sie schickte einen Seufzer hinterdrein. Das klang, als würde sie glauben, dass ich absichtlich jammerte, absichtlich nicht ruhig lag, nur, um ihr Mühe und Arbeit zu machen.
    Da wünschte ich ihr, für einen Moment an meiner Stelle zu sein, zu fühlen, was ich fühlte, zu leiden, wie ich litt.
    Diese Nacht nahm kein Ende. Meine Schlafphasen wurden immer kürzer, und manchmal glaubte ich, es müssten Stunden vergangen sein, stellte dann anhand der Infusion aber fest, dass ich wohl nur wenige Minuten vor mich hingedämmert hatte. Dabei wurde jedes neue Erwachen zu einer größeren Qual. Die Schmerzen in meinem Bauch nahmen eine Intensität an, dass ich zeitweise glaubte, auseinander zu bersten. Es war, als risse man mir bei lebendigem Leib die Gedärme heraus. Hinzu kam das Brennen und Beißen auf meiner Haut, was angeblich eine allergische Reaktion auf die Narkose war, das Piepsen und Dröhnen und Rattern und Surren der vielen Maschinen, das hektische Hin und Her der grün vermummten Mannschaft, das Gerede, mit dem man versuchte, mich zur Ruhe zu bringen.
    Ich konnte keine Ruhe finden. Ich brauchte Hilfe, ich brauchte eine Spritze, eine Tablette, etwas gegen diese unerträglichen Schmerzen. Irgendwann fing ich an, laut zu schreien. Ich schrie, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben geschrien hatte. Die grüne Frau schimpfte mich aus, sprach ein paar tröstende Worte und strich mir über die Wange. Ich schrie weiter, ich schrie um mein Leben – bis auf einmal Doktor Behringer an meinem Bett stand.
    »Hallo Eva!«
    Ich hörte auf zu heulen.
    »Wissen Sie, wie spät es ist, Eva? Wir haben schon fast Mitternacht. Sie haben ziemlich lange geschlafen.«
    Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an mein Bett.
    »Ich …«
    »Was, Eva?«
    »Ich …«
    »Ja?«
    »… Spritze!«
    Dieses Wort auszusprechen war eine Anstrengung für sich. Umso mehr ärgerte es mich, dass Behringer es einfach überhörte. »Spritze!«, wiederholte ich deshalb, und beim zweiten Mal ging mir das schon wesentlich besser von der Zunge.
    »Das geht nicht, Eva«, antwortete er.
    »Doch!«
    »Nein, Eva.«
    »D-o-c-h!!!«
    Ich kreischte laut und schrill, versuchte, mich aufzurichten. Das rief natürlich sofort wieder die schimpfende grüne Frau auf den

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