Zwei Frauen: Roman (German Edition)
war die Resignation, ja, ich vergaß sogar den räubernden Nachtvogel über meinem Bett, ich dachte nur noch an Jan und stellte mir vor, wie er mir morgen entgegenkam, auf dem lichtüberfluteten Gang der gynäkologischen Poliklinik, wie ich auf ihn zulief, mich in seine Arme stürzte …
»Scheiße!« So endete der Tagtraum fürs Erste, ich hatte nämlich in den Spiegel geschaut. Unmöglich sah ich aus. In den letzten vierzehn Tagen hatte ich etwa fünfmal meine Zähne geputzt und zweimal mein Gesicht mit Wasser benetzt – Waschen konnte man das nicht nennen –, und da ich ja bestrahlt wurde, hatten meine Haare seit einem Monat kein Shampoo mehr gesehen.
Dann ließ ich mich seufzend auf der Klobrille nieder. Meine besten Einfälle hatte ich von jeher auf der Toilette gehabt, und so war es auch in diesem Fall. Nach etwa zwanzig Minuten schien er nämlich geboren zu sein, der Gedanke, der mich aus meiner Notlage erretten sollte. Meine Haarpracht konnte ich unter einem meiner zahlreichen Turbane verbergen, das hatte ich schließlich lange genug getan, wenn auch aus anderen Gründen, und was den Rest betraf … nun, ich vergeudete gar keine weitere Zeit, sondern fing sofort an, wässerte und schrubbte, cremte, klebte, lackierte, sprühte …
Voller sehnsüchtiger Erwartung betrat ich am nächsten Morgen den Behandlungsraum der Gynäkologie und war verstört, als mich dort nur der Frauenmörder erwartete. Von Kopf bis Fuß hatte ich mich in mädchenhaftes Rosé gehüllt, aber doch nicht für ihn!
»Guten Morgen, Frau Martin!«
»… Sie …?«
»Wie bitte?«
»Sie wollen mich untersuchen?«
»… Wenn Sie gestatten?«
Damit hatte ich es geschafft, dass der Herr Professor nun ebenso verstört war wie ich, und so konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Ich machte frei, was freizumachen war, und legte mich hin, die Anstandsdame Krankenschwester tätschelte beruhigend meinen Oberarm, und ein junger Assistenzarzt stieß auch noch zu uns, wohl, um dem Frauenmörder seelischen Beistand zu leisten – wer schon mal mit mir zu tun gehabt hatte, sah sich vor.
Während sich diese drei mehr oder weniger einträchtig an mir zu schaffen machten, kämpfte ich mit den Tränen. Nichts schien in meinem Leben so zu kommen, wie ich es mir erhoffte. All meine Träume zerplatzten wie Luftballons, und je häufiger das geschah, desto mehr gewöhnte ich mich daran, desto größer wurde aber auch der Schmerz.
– Liebe fragte Liebe: »Sag, warum du weinst?«
Raunte Lieb zur Liebe: »Heut ist nicht mehr einst!«
Liebe klagte Liebe: »Ist’s nicht wie vorher?«
Sprach zur Liebe Liebe: »Nimmer – nimmermehr.« –
So endete Münchhausens »Brennnesselbusch«, und traurig wie diese Worte war auch ich. Ich hatte mich so darauf gefreut, Reinders wiederzusehen. Er fehlte mir schon seit langem, lange Zeit hatte ich es nur nicht gewusst. Ich musste ihm zeigen, was ich für ihn fühlte, ich musste ihm sagen, was er mir bedeutete, ich musste endlich meinen Stolz und meine Angst überwinden, aber dazu brauchte ich erst einmal eine Gelegenheit, ich musste ihn also wiedersehen, unbedingt … unbedingt …
»Frau Martin !!!???«
Der Frauenmörder schrie so laut, dass ich vor Schreck zusammenzuckte, und der junge Assistenzarzt zu seiner Linken war auch schon ganz rot im Gesicht. Das verriet mir, dass man offenbar schon längere Zeit versucht hatte, mit mir ins Gespräch zu kommen.
»Ja, Herr Professor?« Ich machte das ganz souverän, geistige Abwesenheit kam schließlich in den besten Familien vor.
Der Frauenmörder räusperte sich. »Nun«, meinte er dann, »seit dem letzten Mal hat sich nicht viel geändert, Frau Martin, das wissen Sie ja selbst. Ihre Uterusschleimhaut –«
»Hat noch immer nicht geregnet?«, fiel ich ihm ins Wort.
Er seufzte. »Hat noch immer nicht abgeregnet , Frau Martin. Regen und Hagel gibt es nur in der Natur.«
»Hobby-Meteorologe?«
Der Assistent kicherte über diese Retourkutsche, die Schwester errötete, und der Frauenmörder hörte darüber hinweg, wie es sich für einen Akademiker seines Grades geziemte.
»Wie dem auch sei«, meinte er deshalb geschwind, »ich bin der Ansicht, dass wir die Abrasio jetzt einfach machen müssen, Frau Martin. Im vergangenen Jahr haben Sie sich ja dagegen gesperrt, aber jetzt muss es einfach sein, da hilft sonst nichts …«
Drei Augenpaare warteten gespannt auf meine Reaktion, aber zum Erstaunen aller legte ich diesmal kein Veto ein. Ich war zu der Operation bereit.
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