Zwei Frauen: Roman (German Edition)
sie mich niemals verlassen würde, wenn ich mich nicht zu ihr bekannte. Also sprach ich sie aus, und zu meinem eigenen Erstaunen mit wenigen Worten, ohne rot zu werden.
»Das ist doch ganz natürlich«, sagte Jan dazu, »und es macht doch auch nichts.«
»Nein?«
»Nein!«
»Mir fehlen eben ein paar Jahre meines Lebens, und deshalb … ich glaube, ich bin zu dumm für … für ein Spiel …«
Er sah mir fest in die Augen und strich mir mit dem Zeigefinger über die Wange. »Wer spricht denn vom Spielen, Eva?«
Ich hätte ihm von Herzen gern geglaubt. Aber ich konnte ihm nicht glauben, und das sah er mir wohl an, denn plötzlich wurde er ganz ernst und vergrub die Hände in seinen Kitteltaschen. »Ich fürchte, die Leute haben Ihnen ein bisschen zu viel von mir erzählt«, sagte er, »vor allem zu viel Mist … Ich bin kein … kein …, aber das werden Sie schon sehen, und ich werde mich bemühen … –«
Mitten im Satz brach er ab, denn er entdeckte den Rilke-Gedichtband, der auf meinem Schreibtisch lag, einen Band, in dem ich auch seinerzeit auf F 7 gelesen hatte. Es war ein wunderhübsches, in Leder gebundenes Büchlein mit Goldschnitt.
»… Und Sie sollten sich auch um etwas bemühen«, fuhr er daraufhin fort. »So zauberhaft wie diese Lyrik ist das Leben nämlich nicht, und so zauberhaft kann erst recht kein Mann sein, auch ich nicht.«
Ich wusste genau, was er damit meinte, dass er offenbar der Ansicht war, ich hätte in den letzten Jahren ein paar Gedichte zu viel gelesen. Trotzdem ging ich darüber hinweg.
»Männer haben eben keinen Sinn für Poesie«, lachte ich, »das ist bekannt.«
»Das ist bekannt?«
»Ja!«
»Dann muss ich eine Ausnahme sein!«
»Ja?«
»Ich mag Gedichte, Eva, und ich mag Rilkes Gedichte ganz besonders. In einem heißt es:« … Er sah mir tief in die Augen … »›Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?‹ – Kennen Sie das?«
»… Ja …«
Er lächelte. »Dann bis Mittwoch, Eva, ich rufe Sie an!« Mit diesen Worten ging er schnellen Schrittes aus dem Zimmer, und das Mädchen, das ihm in diesem Augenblick nachsah, hätte alle Reichtümer dieser Erde gegeben, um zu erfahren, wie diese Geschichte mal ausgehen würde.
»Und Sie machen keine Ausnahme?«, fragte mich Helma abermals und riss mich aus meiner Erinnerung heraus.
»Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf.
Helma nahm es betrübt zur Kenntnis, ebenso wie die anderen, und doch anders. Sie fühlte sich wohl persönlich angegriffen, und dafür tat sie mir nun fast schon wieder Leid. Sie war nicht die Schlechteste, vielleicht war sie sogar ein durch und durch liebenswerter Mensch. Man braucht nur leider immer einen Prellbock, und dieser Prellbock war für mich nun mal von jeher Schwester Helma gewesen. Und daran sollte sich, wie es schien, auch in den letzten Minuten unserer gemeinsamen Zeit nichts mehr ändern. Das spürte sie vermutlich, denn sie lächelte mich plötzlich verständnisvoll an und reichte mir die Hand.
»Dann will ich mich jetzt von Ihnen verabschieden«, sagte sie. »Alles, alles Gute, Eva!«
Ich lächelte zurück. »Danke, Schwester Helma!«
»Darf ich mich gleich anschließen?«, fragte Gertrud, die bis dahin stumm und hilflos im Windschatten ihrer Vorgesetzten gestanden hatte. »Ich habe so etwas noch nicht allzu oft erlebt«, erklärte sie mir jetzt, »und deshalb weiß ich nicht so recht, was ich … aber es kann ja nicht verkehrt sein, Ihnen Glück zu wünschen … oder?«
»Sicher nicht!«, erwiderte ich.
»Gut, dann wünsche ich Ihnen Glück! Viel Glück!«
»Danke!«
Ich sagte das und spürte Gertruds Hand in meiner, und im gleichen Moment sah ich sie, wie sie damals gewesen war, schön wie ein Bild, mit langen schwarzen Haaren, mit tiefbraunen, mandelförmigen Augen … wie sie mir unentwegt mein Gepäck hatte abnehmen wollen und wie sie mich später angebrüllt hatte … »Ausbrüche dieser Art stehen hier auf der Tagesordnung, glauben Sie also bitte nicht, dass mich das beeindruckt!« … Das alles schien so weit weg, und doch war es mir in diesem Augenblick ganz nah, so nah, dass ich Gertrud in die Arme nehmen musste und sie ganz fest drückte … und sie wusste nicht einmal, warum.
Der Letzte im Bunde war dann Doktor Behringer. »Geben Sie niemals auf!«, gab er mir mit auf den Weg. »Und machen Sie aus Ihrem Leben, was Sie können!«
»Ich werde mich bemühen!«, erwiderte ich, verwundert über diesen unerwartet lockeren Tonfall.
»Und
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