Zwei Frauen: Roman (German Edition)
wenn Sie mal einen Partner brauchen, Eva … beim Segeln vor der Costa Smeralda …«
Ich schmunzelte. »… rufe ich Sie an!«
Wir mussten beide darüber lachen, und als er, gefolgt von Helma und Gertrud, Sekunden später den Raum verließ, fragte ich mich, warum wir das nicht früher schon mal getan hatten, warum wir nie unbeschwert miteinander gelacht hatten, Doktor Behringer und ich …
Langsam drehte ich mich um. Professor Mennert saß noch immer auf Claudias Bett. Er sah mich an, als wüsste er genau, was ich in diesem Augenblick empfand, und dann stand er plötzlich auf und schloss ganz sacht die Tür, die Behringer & Co. versehentlich offen gelassen hatten.
»So!« Ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, griff er in eine seiner Kitteltaschen und zog ein rosafarbenes Blatt Papier heraus. »Da Sie in diese Klinik ja um nichts in der Welt zurückkehren wollen … das Elisabeth-Krankenhaus wird fortan die Nachsorge-Untersuchungen durchführen. Die werden Sie anschreiben.«
Dass er sich darum gekümmert hatte, war mir völlig neu. Wir hatten nur ein einziges Mal darüber gesprochen.
»Freuen Sie sich nicht zu früh!«, winkte er ab, bevor ich eine entsprechende Dankeshymne anstimmen konnte.
»Professor Rosenthal vom Elisabeth-Krankenhaus ist nämlich ein Studienkollege von mir. Und deshalb werde ich bei den Untersuchungen anwesend sein, mich werden Sie also auch in Zukunft noch ertragen müssen.«
Verlegen senkte ich den Kopf. »Bei Ihnen ist das ja auch was anderes«, sagte ich. »Sie sind ja nicht Schwester Helma.«
Er stutzte einen Moment. »Wofür ich meinem Schöpfer wirklich nur dankbar sein kann, liebe Eva, täglich aufs Neue.«
Ich blickte auf und wollte lachen, aber es gelang mir nicht. Mennert sah mich so merkwürdig an, und er kam auf mich zu, einen Schritt, zwei Schritte … dann reichte er mir das roséfarbene Blatt Papier.
»Das ist er, Eva: Ihr Entlassungsschein!«
Für einen kurzen Moment war ich sprachlos. Zwei Jahre und zwei Monate hatte ich mich gequält, und dieses lächerliche Stück Papier war nun der Lohn. Zögernd nahm ich es in Empfang, hauchdünn und nahezu schwerelos lag es in meiner Hand, unscheinbar sah es aus – und doch war es wertvoller für mich als irgendetwas anderes.
»Hätten Sie das gedacht?«, fragte ich leise. »Hätten Sie gedacht, dass ich es schaffe?«
»Nein!«, erwiderte Mennert prompt. »Sie?«
»Ja!«
Er schmunzelte. »Wissen Sie, Eva, nur wenige Menschen sind bereits zu Lebzeiten eine Legende. Die meisten werden es erst, wenn sie tot sind, wenn überhaupt. – Sie, Eva, Sie sind eine lebende Legende, zumindest für mich. Sie sind der stolze Höhepunkt meiner fünfunddreißigjährigen Berufspraxis … die Belohnung für all die Mühen, für all die Misserfolge …« Er streckte mir seine Hand entgegen, und ich ergriff sie wie ein Kind.
»Vielen Dank!«, flüsterte ich.
»Wofür?«
»Für alles.«
Er lächelte. »Danken Sie nicht mir, Eva, danken Sie Ihrem inneren Schweinehund, Ihrer widerborstigen Natur! Die haben Sie gerettet, ich habe damit herzlich wenig zu tun.«
»Bleiben Sie trotzdem dabei, dass ich keine neunzig werde wie meine Großmutter?«
Das hatte ich noch nicht ganz ausgesprochen, als Mennert meine Hand auch schon wieder losließ.
»Ja, Eva«, erwiderte er dann nach einigem Zögern, »dabei bleibe ich.«
»Trotz meines inneren Schweinehundes?«
»… Ja!«
»Trotz meiner widerborstigen Natur?«
»Ja!«
Ich musste grinsen. »Gut«, sagte ich dann. »Sie sind so ungefähr sechzig, und ich bin zwanzig, Sie glauben nicht, dass ich neunzig werde, und ich glaube es … also werde ich Ihnen wohl beweisen müssen, dass ich Recht habe und nicht Sie. – Halten Sie so lange aus?«
Ich fragte das mit einem Augenzwinkern, und wir lachten darüber, aber es war ein verhaltenes Lachen, ebenso gut hätten wir verhalten weinen können. Mennert sah mich an, als würde er diesen Anblick zeit seines Lebens nicht mehr vergessen wollen, und dann strich er mir plötzlich mit der Hand über die Wange, und dabei nickte er mit dem Kopf, und dann ging er hinaus, schnellen Schrittes. Ich blieb zurück, allein – nun war es endgültig so weit … Bis zu diesem Augenblick hatte ich mich grenzenlos stark gefühlt. Jetzt fühlte ich mich schwach. Ich stand da mit dem Entlassungsschein in der Hand und begriff plötzlich, dass von nun an alles in meinen Händen lag. Der Bergsteiger, der in der Silvesternacht 1976 am Fuße des schneebedeckten Achttausenders
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