Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Taktik schonungslose Härte war.
»Ihre Laborwerte sind katastrophal«, ließ er mich wissen, »nach Ihrer Blutsenkung zu urteilen, müssten Sie sogar schon tot sein.«
»Was?« Das Entsetzen stach mir aus allen Poren, und der Vater sandte dem Sohn einen strafenden Blick.
»Ganz so tragisch ist es nun auch wieder nicht«, sagte er, »nur … wie es ist, kann es natürlich nicht bleiben, und deshalb sind wir der Ansicht –«
»Dass Sie ins Krankenhaus gehören!«, beendete der Doktor den Satz.
Zunächst war ich sprachlos, doch dann fasste ich mich. »Das geht nicht!«, erklärte ich im Brustton der Überzeugung. »Ich habe fast jeden Abend Vorstellung – da kann ich mich unmöglich wegen so ein paar lächerlichen Knoten ins Krankenhaus legen.«
Der Doktor schlug fest mit der Hand auf den Tisch. »Ob diese Knoten lächerlich sind«, fuhr er mich an, »das sollten Sie schon den Fachleuten überlassen.«
Ich schluckte. Bisher hatte ich meinen »Knubben« nie eine größere Bedeutung beigemessen als die, dass sie mich bei der Arbeit behinderten. Dass es damit auch etwas ganz anderes auf sich haben konnte, kam mir erst jetzt in den Sinn.
»Sie sind vermutlich nur ein Symptom«, erklärte mir der Professor.
»Und für was?«
»Es kann eine harmlose Stoffwechselstörung sein.«
»Und dann?«
Er lächelte. »Das muss halt herausgefunden werden«, sagte er, »gehen Sie in die Uniklinik und lassen Sie sich von Kopf bis Fuß untersuchen. Es dauert ja nur ein paar Tage.«
»Wie lange genau?«
»Zehn Tage, länger bestimmt nicht!«
Ich stellte mir vor, nach diesen zehn Tagen Krankenhaus wieder voll einsatzfähig zu sein. Ich durchforstete meinen Terminkalender. Bis zum Monatsende hatte ich nur zwei Vorstellungen, die ließen sich mit Jimmys Hilfe bestimmt verlegen.
»Nun«, erklärte ich daraufhin, »dann möchte ich am liebsten gleich morgen hin, dann habe ich es hinter mir.«
»Gar kein Problem!«, freute sich der Professor. »Soviel ich weiß, haben wir sogar schon ein Bett für Sie.«
»So ist es!«, bekräftigte der Doktor. »Alle Augen warten auf Sie!«
Das machte mich wieder misstrauisch. Steif verabschiedete ich mich bei Laser junior und lechzte dem herzlichen Augenausdruck des Seniors entgegen. Ich wurde nicht enttäuscht.
»Alles Gute!«, wünschte er mir. »Und wenn alles vorbei ist, Fräulein Martin, dann bekomme ich doch sicher mal eine Freikarte von Ihnen. Oder?«
Ich lächelte gequält. Wer immer meinen Weg kreuzte, beanspruchte für sich das Recht auf kostenlosen Theatereintritt.
An diesem Abend wurde ich jedoch entschädigt. Ich bekam nämlich selbst eine Gratisvorstellung, und zwar eine Tragödie mit Frau Gruber in der Hauptrolle.
»Was fällt dir ein?«, brüllte sie mich an. »Wie kannst du es wagen, dich wegen so einer Kleinigkeit ins Bett zu legen?«
»Meine Eltern sind aber dafür«, schrie ich, »und Jimmy hat auch gesagt –«
»Jimmy, deine Eltern – was heißt das schon?«
Sie beschimpfte mich nach Strich und Faden, und als ich ihr erklären wollte, es wären doch nun wirklich nur ein paar Tage, lachte sie laut und böse auf.
»Ein paar Tage! Wenn dich diese Ärzte erst mal in den Klauen haben, lassen sie dich so schnell nicht wieder los. Gegen die kommst du nicht an, Eva.«
»Doch!«
Sie war entsetzt, mich so selbstbewusst zu sehen, und schlug vor lauter Wut mit allen verfügbaren Körperteilen auf Tische, Stühle und Sofas. Dann hob sie drohend den Zeigefinger. »Wenn du in diese Klinik gehst, Eva Martin, dann brauchst du nie wiederzukommen …«
Da begann ich zu weinen, blieb aber trotzdem bei meinem Entschluss. Damit hatte sie nicht gerechnet.
»Ich schäme mich für dich!«, teilte sie mir zum Abschied mit. »Ich will dich nicht mehr sehen!«
KAPITEL 5
Die Klinik lag am anderen Ende der Stadt, und so saß ich am Morgen des 6. März 1976 in aller Herrgottsfrühe im Fond eines Taxis. In der Nacht hatte ich äußerst schlecht geschlafen. Der Streit mit Frau Gruber hatte mir dermaßen zugesetzt, dass ich auch jetzt noch Zorn verspürte und mit zusammengekniffenem Mund in die Dunkelheit starrte.
Wenig später stand ich vor dem gläsernen Hauptportal der Klinik, in der rechten Hand meine Reisetasche, in der linken meinen Kosmetikkoffer. Draußen wurde es langsam hell, und das Licht der überdimensional großen Lettern Universitätsklinikum begann zu flackern. Ich atmete tief ein und sprach mir Mut zu.
Frau Grubers Warnungen hatten mich verunsichert, und die abweisende
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