Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Lymphographie.«
Ich war so verwirrt, dass ich ihm mein gewinnendes Bühnenlächeln schenkte, worauf er den Ansatz eines Dieners machte und entschwand. Im gleichen Moment vernahm ich schallendes Gelächter und erblickte eine Frau im Nachtgewand, die im Rahmen der Badezimmertür lehnte.
»Sie haben kein einziges Wort verstanden«, lachte sie, »oder?«
»Kein einziges!«, erwiderte ich wahrheitsgetreu.
»Das ist immer so!«
Noch immer lachend, kam sie auf mich zu und reichte mir die Hand. »Ich bin Frau Klein«, stellte sie sich vor.
»Eva Martin.«
»Na, dann bin ich ja endlich nicht mehr allein in diesem Affenstall.«
Margarethe Klein war zweiundfünfzig Jahre alt, verheiratet, Mutter eines erwachsenen Sohnes und so klug und wortgewandt, wie ich es noch nie zuvor bei einem Menschen erlebt hatte.
Ihr Gehirn arbeitete präzise wie ein Uhrwerk, ihre Zunge war ungemein spitz und schnell. Obwohl sie bereits seit sechs Wochen in dieser Klinik lag, war ihr Humor ungebrochen. »Was?«, fragte ich entsetzt. »Sechs Wochen?«
»Ja. Sie waren wohl noch nie in einem Krankenhaus.«
»Nein. Warum?«
Sie schmunzelte nur. »Haben Sie Angst?«
Es fiel mir schwer, darauf zu antworten, denn bislang hatten Krankenhäuser höchst widersprüchliche Gefühle in mir ausgelöst. Dachte ich an die Geburt eines Kindes, erfüllte mich ihr Anblick mit Freude. Dachte ich aber an eine Operation oder gar an einen Knochenbruch, so geriet ich in Panik.
Frau Klein schmunzelte nur noch mehr, als ich das sagte.
»Also eines kann ich Ihnen versichern«, sagte sie, »auf dieser Station wird weder geboren noch geschnitten oder gestorben, hier wird gesucht!«
»Auch gefunden?«, fragte ich ängstlich.
»Och«, meinte sie, »das will ich nicht sagen. Nehmen Sie meinen Fall! Als ich herkam, haben die geglaubt, ich hätte einen Darmverschluss. War aber nicht. Dann haben sie behauptet, meine Leber wäre nicht in Ordnung, und wollten ein paar entsprechende Tests machen, aber so weit kam es nicht, weil sie meine Krampfadern entdeckt haben. Ich meine, die Verdauungsstörungen habe ich immer noch, aber dafür weiß ich jetzt, dass ich Hämorrhoiden habe, und Senk- und Spreizfüße, und mit der Wirbelsäule stimmt auch was nicht. Ich will sagen …«
Es war herrlich, Frau Klein zu lauschen.
Ich lachte wie seit langem nicht mehr.
»Das wird mit jedem Tag, den Sie hier sind, schlimmer werden«, sagte sie. »Warten Sie erst mal ab, hier jagt ein Witz den anderen.«
Am frühen Nachmittag besuchten mich meine Eltern. Sie waren erleichtert über meinen Entschluss und schimpften auf Frau Gruber.
»Eine Stoffwechselstörung ist eine Kleinigkeit« aber auch Kleinigkeiten müssen behoben werden«, sagte meine Mutter.
»Sonst musst du in der Dusche nämlich bald hin und her springen, um einen Strahl abzubekommen!«
»Aber Ernst!!!«
Wie gewöhnlich traf der Humor meines Vaters nicht den Geschmack meiner Mutter.
»Das geht hier schneller vorbei, als du denkst«, sagten sie zum Abschied. »Nutz die Zeit! Ruh dich endlich mal aus und betrachte die Tage hier als eine Art von Urlaub auf Kassenkosten.«
Diesem Ratschlag folgte ich gern. Ich kuschelte mich in die Kissen und stellte mir vor, im Bett eines Hotelzimmers zu liegen, mit Blick auf den Ozean und immergrüne Palmen. Diese Träume wurden jedoch jäh zerstört.
»Schwester Berta!!!«, donnerte es durch den Raum. Mein »Angenehm!«, verkümmerte zu einem schüchternen »A…«, denn was sich da Berta nannte, hatte den Hintern eines Brauereigauls und die Angriffslust eines Nashorns. »Keine Faxen!«, ermahnte sie mich vorab und hielt mir ein Gefäß mit einer übel riechenden Flüssigkeit unter die Nase.
»In einem Zug!«
Eineinhalb Stunden nach Verabreichung des zuckersüßen Trankes bekam ich unerträgliche Bauchkrämpfe. Mein Darm gab her, was er hatte, mehr noch, er schien sich selbst preisgeben zu wollen. Nach zwei Stunden, in denen ich kaum wagte, mich weiter als zwei Meter vom Toilettentopf zu entfernen, legte ich mich völlig erschöpft und wahrhaft »leer« in mein Bett.
»Also, ich weiß nicht«, jammerte ich, »wenn das Urlaub sein soll!«
Frau Klein grinste. »So genannte Ferien für Aktive sind jetzt sehr gefragt«, meinte sie, »man lechzt nach den letzten großen Abenteuern, Exotik ist in!«
»Aber hier ist doch nichts exotisch.«
Diesen Einwurf bereute ich schon bald, denn gegen sechs Uhr erschien ein Exote, anders konnte man den nicht bezeichnen. Er war Pfleger, und er hielt es
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