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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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meiner Lehrerin. »Ist sie das?«
    »Ja.«
    »Wie heißt du?«
    Ich erschrak über den harschen Tonfall, wollte mich aber nicht einschüchtern lassen. »Eva Martin«, antwortete ich.
    Die fremde Frau zog die Augenbrauen hoch. »Klingt ganz ordentlich«, meinte sie, »kann so bleiben. – Komm her!«
    Damit war der Handel perfekt. Da meine Eltern meinen Berufswunsch nach wie vor für einen Scherz hielten, hatten sie nichts dagegen, dass ich die Ballettschule wechselte, und so wurde Natascha Gruber meine neue Ballettmeisterin. Das machte mich überglücklich. Ich stellte zwar schon sehr früh fest, dass diese Frau nicht gerade der Mensch war, mit dem man im Katastrophenfall auf einer einsamen Insel hätte leben mögen, doch stellte ich ebenfalls fest, dass sie mich Dinge lehrte, die meine ehemalige Ballettmeisterin mir nicht hatte beibringen können. Unter ihrem Training bewegte sich mein Körper immer geschmeidiger und präziser. Da mir das für den Augenblick wichtiger erschien als alles andere, ließ ich mich wie im Fieberwahn von ihr malträtieren und tat alles, was in meiner Macht stand, um Schule und Ballettschule miteinander zu verbinden.
    Mein Tagesablauf sah nun so aus: Kurz vor sieben in der Frühe kletterte ich aus dem Bett und raste zur Schule. Um zwei kam ich nach Hause zurück, schlang hastig das Mittagessen herunter, nahm statt der Schultasche die mit dem Trainingszeug und raste weiter zur Ballettschule. Dort begann das Training um drei, und meist war ich gegen halb neun abends wieder daheim. Dann machte ich meine Hausaufgaben, fiel gegen Mitternacht todmüde ins Bett und stand am nächsten Morgen um kurz vor sieben wieder auf.
    »Solange du gute Noten schreibst, haben wir nichts dagegen«, erklärten meine Eltern. »Obwohl uns der Sinn der Strapaze nicht einleuchtet.«
    Drei Jahre lang hörte ich das mindestens zweimal in der Woche, drei Jahre lang führte das mindestens zweimal in der Woche zu Streitgesprächen.
    »Ich will eben Tänzerin werden!«, erklärte ich dann und bekam zur Antwort: »Tänzerin? Das ist doch ein Witz!«
    »Du wirst dein Abitur machen, Eva!«
    »Und Medizin studieren!«
    »Nein!!!«
    »Was dann, Eva, Germanistik …?«
    »… Architektur …?«
    »Ich will Tänzerin –«
    »Kein gescheiter Mensch geht zum Theater, Kind! Das ist ein Sumpf für verkrachte Existenzen, das ist …«
    »… indiskutabel!«
    »Jawohl!«
    So oder ähnlich ging es immer aus, mit dem Erfolg, dass ich mich drei Jahre lang mindestens zweimal in der Woche in den Schlaf weinte. Dann gab ich auf. Ich war es einfach leid: Ich verließ das Gymnasium nach der mittleren Reife, ohne meine Eltern um Erlaubnis zu bitten. Sie hätten mir ja doch nicht zugehört.
    Das ließen sie als Entschuldigung jedoch nicht gelten. Sie straften mich hart für meine Eigenmächtigkeit. Am Abend des 22. Juni 1973 fiel das Urteil. Ich wurde offiziell ins Wohnzimmer gebeten, wo mir offiziell mitgeteilt wurde, dass ich das Haus umgehend zu verlassen hätte.
    »Wir werden zwar weiterhin dein Training und deinen Unterhalt finanzieren«, hieß es, »aber hier leben wirst du nicht mehr. Wir können unter diesen Umständen nämlich nicht mehr mit dir leben, Eva. Also … du hast es nicht anders gewollt … pack bitte deine Sachen!«
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich machte auf dem Absatz kehrt, fing sofort an zu packen und ging noch in der gleichen Nacht fort – mit zwei Koffern, einem schweren Herzen und einem Bauch voller Wut. Nur einmal sollte man mich wie einen räudigen Hund aus dem Haus gejagt haben, das schwor ich mir. Wiedersehen sollten mich meine Eltern erst, wenn ich eine berühmte Primaballerina wäre und an der Pariser Oper die »Giselle« tanzte. Jawohl! Dennoch blieb ich am Tor noch einmal stehen und blickte zurück auf dieses Haus, in dem ich groß geworden war.
    Es lag völlig im Dunkeln, nirgends brannte mehr ein Licht, meine Kindheit und meine Jugend schienen also endgültig vorbei zu sein. Ich weinte bitterlich, aus Wut, aus Schmerz … vor allem aber aus Angst. Ich hatte Angst vor der Zukunft, vor dem Morgen, das so ungewiss war. Diese Herausforderung schien mir einfach zu groß zu sein. Ich war schließlich erst fünfzehn und doch schon ganz allein, das machte mir Angst …
    Diese Angst verflüchtigte sich zunächst einmal, denn Frau Gruber nahm mich noch in der gleichen Nacht bei sich auf. Als ich um drei Uhr in der Frühe mit meinen beiden Koffern vor ihrer Haustür stand, war sie weder erstaunt noch

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