Zwei Frauen: Roman (German Edition)
verlängert?«, unterbrach ich sie.
Sie ließ sich aber nicht unterbrechen.
»Jimmy will einen neuen Ballettabend machen«, fuhr sie stattdessen ohne Pause fort. »Und ich soll nun – aber das zu erzählen, regt mich viel zu sehr auf. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, was für Probleme ich habe, ich habe Probleme, sage ich dir …«
Es war peinlich, Frau Grubers Stimme war schrill und laut, ihre Gesten überzogen.
»Is die immer so gewesen?«, fragte Claudia, nachdem sie fort war.
Ich nickte. »Es ist mir früher nur nie so aufgefallen.«
»Wars wahrscheinlich genauso. Kein Spinner merkt, wenn er et mit nen andern Spinner zu tun hat, is ja eine Suppe!«
Claudia hatte Recht, das war mir damals schon klar. Frau Gruber hatte mir auf keine meiner Fragen eine Antwort gegeben. Das brachte mich um den Schlaf. Ich spürte genau, dass sich hinter meinem Rücken irgendetwas abspielte, von dem ich vermutlich vorerst keine Ahnung haben sollte. Deshalb rief ich gleich am nächsten Morgen Jimmy an und versuchte, ihn auszuhorchen, aber der tat so, als wüsste auch er von nichts. Da war ich erst einmal beruhigt. Außerdem kamen plötzlich ganz andere Dinge auf mich zu.
»Groß-Untersuchung bei den Gynäkologen!« – Als Professor Mennert mich fragte, ob ich damit einverstanden wäre, hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich da einließ. Arglos unterschrieb ich zahlreiche Formulare, die ich mir nicht einmal durchlas. Erst als Claudia vor Neid fast platzte, kamen mir Zweifel an der Richtigkeit meines Entschlusses.
»Dat is super!«, schwelgte sie. »Da sind ganz viele Männer, und die untersuchen dich alle, einen nach den andern. Eva, ich sach dir: Super is dat!«
Einerseits konnte ich mir das kaum vorstellen und hielt es für eine Art Wunschdenken, mit dem Claudia ihre heimlichen sexuellen Wahnvorstellungen bereicherte. Andererseits ahnte ich Schreckliches, denn sie nahm die Sache äußerst ernst, und in solchen Fällen war immer erhöhte Vorsicht geboten. So gab sie mir »wertvolle« Tips, wie: Ich solle mich vor dem großen Ereignis per Handbetrieb stimulieren, um es dann auch richtig zu »genießen«. Allein der Gedanke daran ließ mich schon die Gesichtsfarbe wechseln. Als mir ihre Schilderungen allzu farbenprächtig wurden, machte ich ihr einen gut gemeinten Vorschlag. »Wie wäre es, wenn du meinen Platz einnehmen würdest«, sagte ich. »Ich bleibe hier in meinem Bett und schlafe, und du gehst rüber zu den Gynäkologen und genießt!«
So viel Großzügigkeit rührte Claudia zu Tränen. »Würdese dat echt für mich tun?«, fragte sie.
»Echt!«
Aber schon im nächsten Moment wandelte sich die Rührung in bittere Enttäuschung. »Scheiße!«, knurrte sie. »Dat merken die, dat ich nich du bin. Die kennen mich, dat merken die bestimmt!«
In der Patientensprache wurde der Fachbereich Gynäkologie »Pflaumenbörse« genannt. Der Untersuchungsstuhl hieß »Pflaumenbaum«, der Chefarzt trug den wenig schmeichelhaften Beinamen »Frauenmörder«. Den Oberarzt aber nannte man »El Brutalo«.
Was das alles zu bedeuten hatte, wusste ich nicht, es schreckte mich aber auch nicht. Geredet wurde viel.
So wartete ich geduldig, bis ich an der Reihe war, und ließ mich von einer Krankenschwester in den Untersuchungsraum führen. Hinter einem Paravent musste ich mich »unten« freimachen, und alsdann bockte sie mich formschön auf besagtem Pflaumenbaum auf und stellte mir jede Menge Fragen.
»Wann hatten Sie zum ersten Mal Ihre Periode? – Wann hatten Sie zum letzten Mal Ihre Periode? – Nehmen Sie Hormone? Hatten Sie Fehlgeburten oder Abtreibungen?« Und so weiter. Bevor ich mich an den Stil dieser Inquisition gewöhnen konnte, flog die Tür auf, und angeführt vom »Frauenmörder«, betrat ein Rudel weißer Kittel den Raum. Es waren etwa dreißig oder vierzig Männer, und im ersten Moment hielt ich es glatt für eine Vision.
»Achtzehnjährige Virgo Intacta«, lautete die Begrüßung, »meine Herren, bilden Sie bitte einen Halbkreis!«
Man bildete, und fortan galt das Interesse nur noch meinem intakten Genitale. So etwas hatten die Herren im Halbkreis schon lange nicht mehr gesehen. Ihre Klinik war damals im Umkreis von vielen Kilometern das einzige Krankenhaus, das Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der sozialen Indikation vornahm.
Nachdem der Status meiner Jungfräulichkeit im Einzelnen und im Allgemeinen gewürdigt worden war, wollte der Herr Professor zur Tat schreiten.
»Hören Sie«, hielt ich ihn zurück,
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