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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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»jetzt will ich mich aber nicht umsonst bemüht haben. Wenn Sie mir jetzt alles ruinieren, ich meine … das will ich dann schriftlich, dass Sie das waren.«
    »Warum das denn?«, fragte ein Mann, der gerade erst hereingekommen war.
    »Na ja«, stotterte ich, »wenn ich mal heirate …!«
    Der Mann war fassungslos. Er stellte sich mir als Oberarzt vor, und folglich wusste ich, mit wem ich es zu tun hatte: Vor mir stand El Brutalo, der Mann, über den hinter vorgehaltener Hand so viel geredet wurde.
    »Sie haben also ernsthaft Angst, dass wir Sie hier deflorieren?«, fragte er voller Zynismus.
    »Dass Sie mich was?«
    »Dass wir Sie bei der Untersuchung entjungfern!«, übersetzte der Frauenmörder.
    »Davor habe ich keine Angst«, erwiderte ich kühl. »Das verbitte ich mir.«
    El Brutalo grinste mir unverschämt ins Gesicht. In der Klinik galt er allgemein als Schwerenöter. Angeblich hatte er von drei geschiedenen Ehefrauen jeweils drei Kinder, und angeblich gab es in der gesamten Klinik keinen Rock, der vor ihm sicher war. Das alles glaubte ich gern, als ich sein unverschämtes Grinsen sah. Ich kochte nahezu vor Wut. Da wurde dieser Mensch auch noch anzüglich.
    »Ihre Hymen«, erklärte er mir grinsend, »die sind im Verlauf der Jahre schon auf Grund des Hochleistungssports stark geschrumpft.«
    »Was?«, keifte ich.
    »Ja, bei so viel Spagat und ›Hoch das Bein!‹ bleibt das nicht aus.«
    »Und woher wissen Sie dann so genau, dass ich eine Intacta bin?« Ich wollte nicht glauben, dass irgendetwas an mir geschrumpft sein könnte.
    Wieder war es der Frauenmörder, der Licht in das Dunkel brachte. »Sie haben eine extreme Hymenverwachsung«, sagte er. »Ihre Jungfernhäutchen haben sich in der Mitte
zu einem festen Hautlappen verbunden. Wir können ungehindert daran vorbei untersuchen, das ist kein Problem. Aber für den Fall, dass Sie mit einem Mann Verkehr haben wollen, würde ich Ihnen raten, das vorher operativ durchtrennen zu lassen, sonst bekommen Sie einen Schock, denn –«
    »Hier wird nichts durchgetrennt!«, fuhr ich ihm schroff in die Parade.
    »Ich spreche ja auch nicht von hier und jetzt, ich meine –«
    »Wenn Sie verheiratet sind!«, beendete El Brutalo den Satz. Dabei grinste er wieder so unverschämt, und ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst.
    Der Herr Professor räusperte sich. »Nun«, meinte er ungeduldig, »ich nehme an, sämtliche Unklarheiten sind jetzt beseitigt … Frau Martin?«
    Ich seufzte wie die berühmte Prinzessin auf der Erbse, und er nahm diese Hingabe dankend zur Kenntnis. Er spielte mit den Fingern, als ginge es an Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 B-moll.
    Während er mit dem Zeiger seiner rechten Hand in meinen Eingeweiden herumstocherte und mit der linken Hand und seinem gesamten Körpergewicht auf den gleichen Eingeweiden herumdrückte, fragte ich mich, was Claudia daran wohl finden mochte. Es war mir jetzt noch rätselhafter als vorher, denn ich selbst empfand überhaupt nichts. Dieses Gestochere und Gedrücke bereitete mir weder Vergnügen noch Lust. Es war mir nicht einmal peinlich. Daran änderte sich auch nichts, als der Frauenmörder fertig war und der wissenschaftliche Nachwuchs an die Reihe kam. Nacheinander bauten sich die weißen Kittel vor mir auf und senkten mit einer mir völlig unverständlichen Verlegenheit den Blick. »Tja … äh … ich … darf ich mal?«
    Ein etwaiges Nein meinerseits hätte zwar keinen Einfluss auf den Gang der Dinge genommen, aber man wollte mir wohl das Gefühl geben, ein Wörtchen mitreden zu dürfen. Also tat ich den Knaben den Gefallen und spielte mit.
    Da ihr Durchschnittsalter etwa bei fünfundzwanzig Jahren lag, klang mir während der gesamten Prozedur Papas Lieblingssatz in den Ohren: »Lass da keinen Stümper ran!« Jahrelang war ich eine folgsame Tochter gewesen, jetzt war ich gleich einer ganzen Horde von Stümpern ausgeliefert. Das war das Einzige, woran ich denken konnte.
    Nach etwa fünfzehn Fingern verschiedener Größe baute sich El Brutalo vor mir auf. Er war der Letzte im Bunde, und er hatte eine äußerst dankbare Aufgabe. Sein Chef hatte sich vorab eine Meinung gebildet und diese für sich behalten, der Nachwuchs hatte raten dürfen, und jetzt verteilte El Brutalo die Punkte. In dieser Rolle gefiel er sich sehr. Er hielt lange Reden über meine Ovarien, meine Tuben und meinen Uterus, er sprach über Nebenwirkungen der Chemotherapie, über Auswirkungen meiner Krankheit und über Nachwirkungen meiner

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