Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Helma!«
Mennert hielt wohl nicht gerade viel von Menschen, die sich verteidigen, bevor man sie angegriffen hat. Das ließ er merken. Nach einer Weile blickte er mich ruhig an.
»Tja, Eva. Sie bekommen keine dicke, weiße Tablette. Da müssen Sie sich irren. Vielleicht meinen Sie –«
»Ich weiß doch wohl, was ich schlucken muss«, gab ich aufgebracht zurück. »Ich spreche von einer dicken, weißen Tablette. Die ist so länglich, eckig …«
Ein Schrei des Entsetzens durchflutete den Raum, und Schwester Helma lehnte leichenblass an der Wand.
»O Gott!«, stieß sie aus, »die meint das Ovulum, Herr Professor, die meint das Vaginal-Ovulum.«
Claudia brach in ohrenbetäubendes Gelächter aus. Sie »brüllte« wie nie zuvor, und es schien, als brächte diese Erheiterung ihr schmächtiges Körperchen auch noch um die letzten Kräfte. Mennert sah verdutzt zu Schwester Helma, die mittlerweile rot angelaufen war.
»Aber Eva«, meckerte sie mich an, »dieses Ovulum sollen Sie nicht schlucken, das sollen Sie in die Scheide einführen. Das ist ein prophylaktisches Präparat.«
Mir wurde heiß und kalt zugleich, und ich schämte mich fast zu Tode. »Warum sagt mir das denn niemand?«, stammelte ich nur. Aber Mennert ergriff väterlich meine Hand und sandte Helma einen eindeutigen Arbeitgeberblick. »Das würde ich allerdings auch gern wissen!«, sagte er dabei.
Das beruhigte mich ein wenig, es gab mir das sichere Gefühl, nicht allein für diese Peinlichkeit verantwortlich zu sein.
»Wissen Sie«, ließ Mennert mich wissen, »ein paar der Medikamente wirken negativ auf die Vaginalflora. Die kann dann austrocknen, und das führt zu Entzündungen. Das Ovulum wirkt dem entgegen, weil es –« Claudia kreischte so laut auf, dass Mennert das Wort im Halse stecken blieb.
»Dat schäumt«, beendete sie seinen Satz, »dat schäumt und schäumt und schäumt …!«
Ihr Lachen erreichte seine Climax und wurde zu einem einzigen grölenden Signalton. Ich konnte das nicht ertragen, mir war die Geschichte so schon unangenehm genug.
»Hör auf!«, brüllte ich sie deshalb an. »Hör auf!!!«
Das wirkte anders, als ich erwartet hatte. Claudia zeigte mit dem Finger auf mich, ringelte sich wie eine altersschwache Natter, und dabei lachte sie unverdrossen weiter. Mennert konnte sich diesem spektakulären Humor kaum entziehen. Ich sah, dass er alle Mühe hatte, nicht in das Gelächter einzustimmen. Sein Bauch vibrierte, seine Gesichtsmuskeln zitterten, aber er wollte mich wohl nicht noch mehr verletzen.
Helma stand derweil da wie eine Trauerweide, was mich erheiterte. Diese Frau zeigte nie eine wirkliche Regung, sie war immer nur voller Andeutungen. Tausend verschiedene Gefühle waren ansatzweise in ihrem Gesicht zu lesen, aber niemals brach auch nur ein einziges durch.
Da ging mir ein Licht auf: Man musste auch einmal über sich selbst lachen können, schließlich schluckte man nicht alle Tage Vaginalovula, um wie eine defekte Waschmaschine zu schäumen. Aus tiefster Seele stimmte ich in Claudias Gelächter ein, und Mennert dankte es mir mit einem Augenzwinkern. Endlich brauchte auch er sich nicht länger zu beherrschen.
Wir lachten noch eine ganze Weile laut und herzlich. Schwester Helma sah uns missbilligend dabei zu, ganz so, als hätte sie es mit einer Gruppe unmündiger Kindergartenkinder zu tun.
KAPITEL 15
Frau Gruber hatte sich seit ihrem ersten Besuch nicht mehr bei mir sehen lassen. Wir telefonierten hin und wieder miteinander, aber mit der Zeit wurden auch diese Anrufe immer seltener, und das bedrückte mich. Ich hörte zwar regelmäßig von Jimmy und Peter, was los war, und auch Hilary kam mal zwischendurch vorbei, aber die moralische Unterstützung meiner Ballettmeisterin konnte mir das nicht ersetzen. Das kam ihr wohl irgendwann zu Ohren, und so ließ sie sich herab, mich auf meiner »Siechenstation« zu besuchen.
Sie sprach zu mir, als hätte sie es mit einer geistig und körperlich Behinderten zu tun, und dabei vermied sie es, mich anzusehen, denn ich entsprach wohl nicht mehr ihren ästhetischen Richtwerten. Dennoch wollte ich sie über meine Situation informieren.
»Die zweite Therapie vertrage ich jetzt gut«, sagte ich. »Wenn alles klappt, bin ich Weihnachten wieder gesund und kann im März schon wieder –«
»Lass dir Zeit, Eva, lass dir um Himmels willen Zeit!«
»Aber –«
»Was meinst du, was im Theater los ist? Da geht es drunter und drüber. Jimmy will –«
»Hat er meinen Vertrag eigentlich
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