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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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durch den Hochleistungssport verzögerten Pubertät, es war ein wahrer Wortschwall in lateinischer und griechischer Sprache. Als er geendet hatte, sah er mich wieder so unverschämt an. Er vermutete wohl, dass ich kein einziges Wort verstanden hatte, und fasste das Ergebnis seiner Untersuchung in zwei simple Worte.
    »Alles da!«, meinte er.
    Das kam mir vor wie ein Schlag ins Gesicht. »Wie?«, hauchte ich ergriffen.
    »Es ist alles da!«, wiederholte er.
    »Ja, hatten Sie denn befürchtet, man hätte mich bestohlen?«
    Die Ärzteschar im Halbkreis brach in schallendes Gelächter aus. El Brutalo selbst war konfus. Betrübt blickte er auf seine Fußspitzen, und sein Chef befreite ihn von dem Lachkonzert, indem er rigoros zum Aufbruch blies. Alsdann bereiteten mir die weißen Kittel ein klassisch schönes Defilee. Man wünschte mir alles Gute, einen schönen Tag oder gute Besserung, was man halt so wünscht, wenn man im Grunde nichts wünscht. El Brutalo und die Krankenschwester blieben zurück, und als ich wieder angezogen war und hinter dem Paravent vorkam, war die Krankenschwester ebenfalls fort, und El Brutalo saß am Schreibtisch. Er brütete über einer Notiz, und ich setzte mich zu ihm, um mir diesen Ausbund von Unverschämtheit genauer anzusehen.
    Eine Männerschönheit wie Bertram Schuster war er nicht, aber trotzdem war er auf sonderbare Weise attraktiv.
    Er hatte dunkelblondes Haar, das offenbar nach dem Kochtopf-Verfahren geschnitten wurde. Was überhing, kam ab, alles andere blieb hängen, Spannkraft und Fülle ließ diese Frisur vermissen. Seine Augen hatten jenes Durchschnittsblau, das siebzig Prozent aller deutschen Männer mit sich herumschleppen, die Nase war hart und hätte eigentlich in das Gesicht eines Schwerverbrechers gehört, der Mund war weich und samtig wie der eines Mädchens.
    Nichts schien zueinander zu passen, aber gerade darin lag der Reiz. Dieser Mann hatte etwas ewig Jungenhaftes an sich, etwas Lausbübisches.
    Dass ich ihn unter die weibliche Lupe nahm, entging ihm natürlich nicht. Es amüsierte ihn prächtig.
    »Haben Sie besondere Fragen?«, erkundigte er sich galant.
    »Nein!«
    »Wirklich nicht? Ich bin einen Meter achtundneunzig groß, wiege neunzig Kilogramm, trage Schuhgröße vierundvierzig, … haben Sie wirklich keine weiteren Fragen?«
    Ich musste mich beherrschen, kühl zu bleiben, aber es gelang. Ohne ein Wort nahm ich ihm die Notiz aus der Hand und ging Richtung Tür.
    »Warten Sie«, hielt er mich im letzten Moment zurück. »Bitte!«
    Wenn ich geahnt hätte, was mir bevorstand, wäre ich vielleicht nicht stehen geblieben. Ich ahnte aber nichts, und deshalb blieb ich stehen, drehte mich um und sah dem attraktiven El Brutalo in die Augen.
    »Ich muss noch Ihre Brust untersuchen«, sagte er charmant. »Machen Sie sich bitte frei!«
    Das hielt ich natürlich für eine Masche und ihn für einen ausgemachten Lüstling. Entsprechend gelangweilt war meine Miene, als ich Pulli und Büstenhalter auszog und ihm Fräulein Knospe entgegenhielt. Viel hatte ich nicht zu bieten, aber El Brutalo widmete selbst diesem Hauch von Pelle größte Aufmerksamkeit. Er knetete sie von allen Seiten.
    Plötzlich hielt er inne. »Gehen Sie bitte mal rüber zur Mammographie!«
    »Jetzt?«, fragte ich erstaunt.
    »Sofort!«
    Sein Männercharme verschwand rückstandslos, und er war nur noch Arzt. Das machte mir Angst, und so zögerte ich geraume Zeit.
    »Bitte, Frau Martin!«, drängte er mich.
    »Was … was ist denn?«
    »Ein Knoten. Ich kann nichts Genaues sagen. Bitte!!!«
    Der Gedanke an einen Knoten in der Brust löste Panik in mir aus. Ich empfand meinen Busen zwar nicht gerade als Symbol meiner Weiblichkeit, aber deshalb war er mir noch lange nicht gleichgültig. Während ich im Wartezimmer der Mammographie saß, musste ich daran denken, wie ich meinen Busen bekommen hatte. Das war binnen weniger Wochen geschehen, und ich war damals erst süße elf Jährchen alt gewesen. Mein Vater war mächtig stolz auf dieses frühe und rasante Wachstum, und er erstellte eine optimistische Hochrechnung; die sich jedoch als klare Fehlkalkulation erwies. Ich wurde kein neues Busenwunder. Die Büstenhalter, die ich als Elfjährige gezwungenermaßen getragen hatte, trug ich jetzt immer noch. Es war die kleinste auf dem Markt befindliche Größe, darunter gab es nur noch Druckknöpfe.
    Nachdem ich mir über dieses und Ähnliches lang genug den Kopf zerbrochen hatte, fand ich mich schließlich in einem

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