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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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stockfinsteren Raum vor einer wenig Vertrauen erweckenden Apparatur wieder. Eine Schwester namens Else entzündete eine Art Notlicht und bat mich, ganz locker und entspannt zu sein.
    »Ist nur eine Kleinigkeit!«, sagte sie.
    Dann schlug die schwärzeste Stunde ihres Schwesterndaseins.
    Einen Busen meines Kalibers in einen Mammographen zu verfrachten, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Dessen war sich Schwester Else zwar schon nach den ersten gescheiterten Versuchen bewusst, aber da sie ein zielbewusster Mensch war und eben noch behauptet hatte, es wäre nur eine Kleinigkeit, gab sie so schnell nicht auf. Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, sie plättete das Ding wie ein Herrenoberhemd, sie riss daran, als wäre es ein Schiffbrüchiger, der an Land gehievt werden musste, sie presste es zusammen, um auch noch die verborgenste Fettzelle zur Mitarbeit zu bewegen, aber es nutzte nichts. Immer wenn das leidige Dingelchen endlich unter der Platte lag, musste ich mich leicht abdrehen, stieß mit dem Brustbein gegen den Apparat und – aus der Traum.
    Während ich darüber vor Schmerzen jaulte, schwitzte die gute Else Blut und Wasser. »Sie haben aber auch einen Miniaturbusen«, fluchte sie. »Der Doktor sagt, da wäre ein Knoten drin. Also, wenn da auch noch ein Knoten drin ist, wo doch sonst schon nichts dran ist … dann heiß ich Jupp!«
    Etwa eine Stunde später stand das Ergebnis fest. Schwester Jupp erfuhr es als Erste.
    Ich selbst hatte es von Anfang an geahnt Es war eine hysterische Ahnung, die mich von Kopf bis Fuß erzittern und in Gedanken rasen ließ. Ich wusste kaum, wie ich den nächsten Augenblick, geschweige den restlichen Tag durchstehen sollte.
    Auf dem Rückweg durch den Park suchte ich pausenlos nach einem tröstenden Einfall. Ich versuchte, mir einzureden, man hätte bestimmt schon mal anderswo auf der Welt von einer einbrüstigen Primaballerina gehört, und dass es gar kein Problem wäre, Kostüme und Trikots auszustopfen. Ich träumte von Bergen blütenweißer Watte, mit der man kaschieren konnte, was fehlte. Aber all das machte mich nicht ruhig. Im Gegenteil, es regte mich nur noch mehr auf, denn noch konnte ich nichts anderes tun als warten und hoffen.
    Am Ende meiner Kräfte setzte ich mich schließlich auf eine Bank.
    Schon am Morgen hatte ein scharfer Wind geweht. Jetzt war er noch schärfer geworden, mein Haar flatterte, und ich fröstelte und fühlte mich sterbenselend. Daher erweckten die vorbeigehenden Frauen und Mädchen wohl auch einen solchen Hass in mir. Ich sah, dass sie ihre Brüste mit fast peinlicher Auffälligkeit vor sich hertrugen. Einige hatten Kleider am Leib, deren Ausschnitte so tief waren, dass ich bis auf den Nabel zu sehen glaubte. So weit mein Auge reichte, sah ich Brüste. Große, kleine, dicke, dünne, lange, runde, aber keine schönen. Schön erschienen mir nur noch meine eigenen. Sie waren die einzigen in dieser Welt, die es verdienten, unter Naturschutz gestellt zu werden, sie waren die einzigen, die man hätte vorführen dürfen.
    Als mir bewusst wurde, was ich da dachte, schämte ich mich so sehr, dass ich am Liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
    Aber ich musste hassen, um nicht an meiner Angst zu ersticken. Erst nach einer ganzen Weile fasste ich mich und ging zur Station zurück. Die Fußgelenke zitterten, die Knie waren weich wie Butter, und die Hüftgelenke spürte ich nicht einmal.
    Als ich gegen Mittag auf die Station zurückkam, war gerade Essenszeit. Es herrschte eine befremdende Ruhe, kein menschlicher Laut war zu hören, nur das Schaben und Kratzen von Besteck und das dumpfe Klappern des überdicken Klinikporzellans. Die Küchenschwester hatte mein Essen warm gestellt, aber ich hatte keinen Appetit.
    Claudia war nicht im Zimmer. Sie hatte am Morgen eine ihrer Mäuse-Infusionen bekommen und war anschließend aufgebrochen zu einem Zug durch die Gemeinde.
    Im Grunde war ich dankbar dafür. Wäre sie da gewesen, hätte ich ihr alles erklären müssen. Aber ich konnte nichts erklären, denn ich verstand das alles ja selbst nicht. So setzte ich mich langsam auf die Bettkante und starrte aus dem Fenster. Ich wollte weinen und all meinen Jammer und all meine Angst in die Welt hinausschreien. Ich wollte zusammenbrechen. Endlich wollte ich zusammenbrechen und darauf warten, dass mir jemand zu Hilfe kam. Ich wollte schwach sein, endlich wollte ich schwach sein. Da sah ich den Brief. Er lag weiß und ausreichend frankiert auf meinem Nachttisch, und er war

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