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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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liebsten wäre ich dieser Frau an die Kehle gesprungen. Nur mühsam konnte ich mich beherrschen.
    »Ich bin so kurz angebunden«, stieß ich hervor, »weil Ihre Fragen so einmalig dämlich sind, Fräulein Römer. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich bin nie geliebt worden. Man hat immer nur meine Funktionstüchtigkeit geschätzt, schon als Kind. Und meine Leistung hat man bewundert, und meine Kraft und meine Intelligenz. Geliebt hat man mich nie. Deshalb hinterlasse ich auch keine Lücke, Fräulein Römer, ich bin ersetzbar, und wenn Sie jetzt auch noch wissen wollen, wie ich dazu stehe: Ich finde es gut
so. Das entbindet mich nämlich von jedweder Verantwortung!«
    Mit diesen Worten erhob ich mich von meinem Stuhl und rauschte hinaus. Daniela mochte denken, was sie wollte.
    Ich selbst fühlte mich nach diesem Eklat erleichtert, denn ich hatte zwangsweise etwas ausgesprochen, was mir von Kindheit an auf der Seele brannte, und die entstandene Wunde konnte ich jetzt nach Herzenslust vertiefen. Ich erging mich in Selbstmitleid, schrieb elegische Gedichte und begann den Tod herbeizusehnen, den ich so lange gefürchtet hatte. In allen Farben malte ich ihn mir aus. Ich wünschte mir, er käme in einer meiner schlaflosen Nächte, wenn ich mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit blickte, wenn ich auf ein Zeichen meines Schicksals hoffte, auf ein Licht, das in die Zukunft wies und das dann trotz allen Hoffnungen doch nicht aufleuchtete, sodass ich die Finsternis und die verhängnisvolle Einsamkeit nur noch schmerzlicher empfand … Dann sollte er kommen, der Tod, dann wollte ich mich ihm leidenschaftlich ergeben.
    Wenige Tage später bekam ich Fieber. Zuerst wusste niemand, worauf das zurückzuführen war, aber nach ein paar Tagen wurde der Auslöser für alle sichtbar. »Handtellergroßer Vulva-Abszess mit Befall des gesamten Lymphknotenbereichs, rechtsseitig.«
    Das war so schmerzhaft, wie es klang, und als ich es gar nicht mehr aushalten konnte, ließ Mennert mich in die Gynäkologie bringen. Er tat das äußerst ungern, denn es war Sonntag, und die Sonntage in der Gynäkologie waren berüchtigt. Zuerst wollte ich das gar nicht glauben, doch dann erblickte ich El Brutalo. Er war todmüde. Am Freitagabend hatte sein Dienst begonnen, seitdem waren vierzig Stunden vergangen, mit Entbindungen, Notoperationen etc.
    »Was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte er nach anfänglicher Wiedersehensfreude und wies erschüttert auf meine Glatze. Vor Scham biss ich mir so fest auf die Lippen, dass es blutete. »Machen Sie sich nichts daraus«, sagte er dann, »einen schönen Menschen entstellt nichts.«
    Das klang alles andere als überzeugend. In Wahrheit empfand dieser Mann mein Aussehen als Zumutung. Obgleich er sich bemühte, das zu verbergen, sprach es aus jedem seiner Handgriffe, aus jedem seiner Blicke, aus jedem Wort. Er war entsetzt, und ich schämte mich dafür, ihn so zu entsetzen, am liebsten hätte ich mich ununterbrochen dafür entschuldigt. Dazu fehlte mir nur die Kraft.
    Nachdem er mich untersucht hatte, warf er der Dienst habenden Schwester einen viel sagenden Blick zu. Dann gähnte er und sah mir tief in die Augen.
    »Sie haben große Schmerzen«, hauchte er mitfühlend, »nicht wahr?«
    Ich nickte, und mir fiel auf, wie sehr ich mich trotz dieser großen Schmerzen freute, diesen Mann wiederzusehen.
    »Wissen Sie, Frau Martin, das kann ich mir nämlich denken, dass Sie große Schmerzen haben, aber wenn wir den Eingriff vornehmen, wie Professor Mennert es vorgeschlagen hat, dann …«
    Seine blauen Augen waren kalt und gefühllos. Sie passten nicht zu der Wärme seiner Stimme, und das erschreckte mich, worüber er nur grinste. Es war dieses unverschämte, jungenhafte Grinsen, das mich schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen so geärgert hatte.
    »Was ist dann?«, fragte ich.
    »Dann müssten wir Sie jetzt erst mal für die Operation vorbereiten«, antwortete er. »Dann müsste der Narkosearzt kommen und Sie bekämen eine Spritze … aber das kennen Sie ja schon alles.«
    Er griff nach meiner Hand und spielte mit meinen Fingern.
    »Das dauert dann natürlich alles seine Zeit«, sagte er, »und Sie haben ja Schmerzen, und Sie wollen die Schmerzen doch los sein. Nicht wahr?«
    Wieder nickte ich. Ich wusste zwar nicht, worauf dieser Hüne hinauswollte, aber mir war alles recht, solange er bloß meine Hand nicht losließ. Das spürte er. Ganz fest barg er sie in seiner riesigen Pranke und drückte sie

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