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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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seufzte über so viel Masochismus, was ich aber einfach überhörte. Ich hatte anderes zu tun. Ich verbannte Spiegel, Lockenwickler und Bürste in meinen Nachttisch, band mein Haar mit einem Gummi im Nacken zusammen und läutete nach Schwester Helma. Als sie kam, drückte ich ihr eine Schere in die Hand.
    »Schneiden Sie den Zopf bitte ab!«, sagte ich, und dabei war meine Stimme kalt wie Eis. Die arme Helma zitterte wie Espenlaub. »Was?«, hauchte sie atemlos.
    »Sie sollen den Zopf abschneiden!«
    »Wie denn?«
    »Einfach ab, wie man es bei den Novizinnen macht, wenn sie eingesegnet werden.«
    »Den schönen Zopf?«
    Ich warf ihr einen Blick zu, der an Schärfe wohl nicht mehr zu überbieten war. Verschämt wich sie ihm aus und tat, worum ich sie gebeten hatte.
    »Wollen Sie ihn aufbewahren?«, fragte sie, nachdem es geschehen war. Dabei hielt sie mir den Skalp so dicht unter die Nase, dass es an Sadismus grenzte.
    Ich atmete schwer. »Nein! Werfen Sie ihn weg!«
    Während Helma das nun tat und Claudia nicht umhinkonnte, mich für meine Konsequenz zu bewundern, legte ich mich ins Bett und versuchte, so etwas wie Erleichterung zu empfinden. Doch da wartete ich vergebens. Die Katastrophe auf meinem Kopf war jetzt zwar längst nicht mehr so lang wie vorher, aber sie war immer noch »da«. Es war halt ein abgenagter Bubikopf mit kreisrunden Kahlstellen neben handlangen Haarsträhnen, nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich beschloss, diesem unwürdigen Zustand nun radikal ein Ende zu machen. Das hieß, dass ich die verbliebenen Haarbüschel mit so viel Brutalität bürstete, dass die meisten freiwillig ausfielen. Die ganz besonders widerspenstigen Exemplare riss ich dann mit roher Gewalt aus. Einer allzu großen Kraftanstrengung bedurfte es dabei nicht, wohl aber einiger Überwindung, und davon hatte ich genug.
    Als es vollbracht war, erschrak ich. Mein Schädel wirkte kahl viel größer, als ich es mir vorgestellt hatte. Auch fiel die unnatürliche Größe meiner Augen durch die fehlenden Haare wesentlich mehr auf. Riesig, grün und glänzend glotzten sie mir entgegen. Sie waren die einzigen Farbkleckse in einem ausgehöhlten und blutleeren Gesicht. Nachdem ich das hinreichend zur Kenntnis genommen hatte, legte ich mich ins Bett und schwor mir, niemals wieder in einen Spiegel zu schauen. Die schöne und begabte Eva Martin gab es nun tatsächlich nicht mehr, und was von ihr geblieben war, … das gehörte dem Totengräber …
    Es war also bei allem sehr klar und sehr einfach für mich. Für die anderen schien es jedoch eine Katastrophe zu sein, insbesondere für Daniela.
    »Warum hast du das getan?«, fragte sie mich gleich am nächsten Morgen, und dabei wirkte sie äußerst erregt.
    »Ich mag nun mal keine halben Sachen!«
    »Das verstehe ich«, gab sie zu, »aber deshalb reißt man sich doch nicht die Haare aus.«
    Resigniert zuckte ich die Achseln. »Ist doch egal. Hat doch sowieso keinen Sinn mehr.«
    »Was hat keinen Sinn mehr, Eva?«
    »Mein Leben.«
    »Hatte es denn je einen Sinn?«
    Ich wusste, dass Daniela mich damit aus der Reserve locken wollte. Ich sollte aggressiv werden und mich »öffnen«. Das kannte ich schon, darauf fiel ich nicht mehr so schnell herein.
    »Mein früheres Leben brauchte keinen Sinn«, antwortete ich betont freundlich, »es hatte nämlich eine Ordnung, das war viel mehr wert. Um acht Uhr dies, um acht Uhr dreißig jenes, streng nach Plan. Da hatte man gar nicht die Zeit, um über so was wie Sinn des Lebens nachzudenken.«
    »Vielleicht liegst du deshalb hier?!«
    Diese Bemerkung hielt ich schlichtweg für zu dumm, als dass ich mich dazu äußern wollte.
    »Sonst noch was?«, erkundigte ich mich gelangweilt.
    »Ja!«, erwiderte Daniela. »Ich möchte etwas von dir wissen.«
    »Bitte!«
    »Warum liebst du dich nicht?«
    Ich fühlte mich völlig überrumpelt. »Warum sollte ich?«, stellte ich die Gegenfrage, worauf Daniela jedoch gar nicht einging.
    »Lieben dich andere Menschen?«, fuhr sie stattdessen fort.
    »Keine Ahnung.«
    »Lieben dich deine Eltern?«
    »Müssen sie ja, sind ja meine Eltern.«
    »Hat dich jemals eine Mensch freiwillig geliebt?«
    »Weiß ich nicht!«
    »Hast du vielleicht nichts Liebenswertes an dir, Eva?«
    »Weiß nicht.«
    »Warum antwortest du mir nicht in ganzen Sätzen, Eva?«
    Darauf hätte ich ihr eine Antwort geben können, aber ich wollte nicht. Sie hatte mit ihrer Fragerei meine verwundbarste Stelle getroffen. Meine Augen sprühten vor Zorn, und am

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