Zwei Geschichten von der See
er nicht mehr in die Pension Monte Carlo käme und ein für alle Mal auf Dorothy verzichte. Sonst könnten die grässlichen Kerle, die weiß Gott woher stammten – »Sie sind ihre Verwandte …!«, beharrte Roberto – wiederkommen, ihn hier oder womöglich im Tanzsaal niederknallen und für immer und ewig Carols Ruf, Geschäft und Haus zunichtemachen, das nie Skandale, Keilereien oder gar Totschlag erlebt hatte.
»Ich reise mit dem ersten Dampfer nach Rio ab …«
»Und während Sie auf den Dampfer warten, gehen Sie lieber nicht mehr auf die Straße …«
Roberto gab ihr das Geld, das er bei sich trug; viel war es nicht, aber deshalb nicht zu verachten. Schließlich war er für jenen Überfall, für den Schrecken des Richters – der Ärmste hatte in die Hosen gemacht! – und für die moralischen Schäden der Pension Monte Carlo verantwortlich. Wenn die Sache sich herumsprach, wer würde dann noch wagen, einen so gefährlichen Ort aufzusuchen? Roberto versprach, noch vor seiner Abreise eine größere Summe zu schicken. Er bat Carol nur, doch rasch auf die Straße hinunterzulaufen und die Umgebung zu sondieren, ob nicht einer der Banditen hinter einer Ecke auf ihn lauerte. Bald kehrte sie zurück mit der Meldung, die Luft sei rein, und er verschwand auf der Stelle.
Carol schmunzelte in ihrem Schaukelstuhl noch immer vor sich hin, als der alte Herr aus dem Badezimmer trat. Auch er wünschte die gefährliche Umgebung so schnell wie möglich zu verlassen, aber wie sollte er das ohne Unterhose tun? Wenn er die Hose auf die nackte Haut anzöge, würde er sich noch eine tüchtige Grippe, vielleicht sogar eine Lungenentzündung holen. Carol lieh ihm daher das Spitzenhöschen einer ihrer Pensionärinnen, enge Röhren mit langen Beinen. Sie und Mimi wollten sich halbtot lachen, als sie ihn so verkleidet sahen, auch der Herr Amtsrichter musste herzlich mitlachen. Nachdem er sich wieder angezogen hatte, nahm er aus Carols Hand einen Cordial-Medoc entgegen, und wenn er es auch ablehnte, jetzt noch dazubleiben – wie sollte er nach dem Schrecken noch etwas zustande bringen? –, versprach er, am nächsten Donnerstag wiederzukommen, bereits davon überzeugt, dass sich ein derartiger Vorfall nicht wiederholen werde. Carol stellte den Vorfall als Folge alter Feindschaften Robertos hin, die jetzt durch das ausdrückliche Verbot, die Pension je wieder zu betreten, ein für alle Mal beigelegt waren. Ein übler Kerl, pflichtete der Richter bei, zahlte Mimi das Bad und die ihm gewidmete Zeit, küsste Carol die Hand und erbat sich von den beiden Verschwiegenheit über seine übelriechende Beteiligung an den aufregenden Geschehnissen.
Geschehnisse, die bis in den Morgen hinein lärmend von den Freunden, den vier Stammgästen und noch weiteren fünf oder sechs Besuchern gefeiert wurden, deren Teilnahme am Raub notwendig gewesen war, um dem Schauspiel nach dem Geschmack des Kapitäns Georges Dias Nadreau ein farbigeres Gepränge zu verleihen. Es war schwierig gewesen, ihm den Einfall des »Raubs der Sabinerinnen« auszureden, bei dem Madame Lulu als Sklavin Carols kettenbeladen die Steilgasse Montanha zur Praça do Teatro hinaufkeuchen sollte. Jetzt schwebte der Hafenkommandant im siebten Himmel, nun hatte er – so dachte er – den Grund für jenen traurigen Ausdruck, der das treuherzige Gesicht Vasco Moscoso de Aragãos beschattete, für immer ausgelöscht. Nun konnte der Kaufmann ohne jeden Rest von Melancholie die Glücksgüter nutzen, mit denen die Vorsehung und sein Großvater ihn überreich gesegnet hatten: sein Vermögen, das Junggesellentum, das Glück im Spiel, das Glück bei den Frauen und sein angeborenes sympathisches Wesen.
»Ich würde mein Patent für sein Glück im Pokerspiel geben …«, bestätigte der Hafenkommandant.
»Und ich ihm meines für sein Glück bei Frauen …«, seufzte der Oberst.
»Ich würde mit geschlossenen Augen mein Anwaltsdiplom für den fünften Teil seines Firmenanteils eintauschen …«, lachte Dr. Jerônimo, hinzufügend: »Und als Dreingabe meinen zukünftigen Sitz als Landtagsabgeordneter.«
»Auch den Abgeordnetensitz?«, fragte verwundert Carol, die den Ehrgeiz des Journalisten gut kannte.
»Was nützen Titel und Patente, Carolita, im Vergleich zu Geld? Wer Geld hat, kann haben, was er will: Patente, Diplome, einen Abgeordneten- oder Senatorensitz, die schönste Frau. Mit Geld kauft man alles, mein Kind.«
Vorläufig hatte Vasco Moscoso de Aragão Dorothy, im
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