Zwei Geschichten von der See
Mondschein, im Meergeruch, im Wellensang, umschmeichelt von Winden, sterbend in Seufzern, auflebend im Liebesgewisper, ihr Gesicht in Flammen, ihren verzehrenden Mund, unentzifferbare dunkelblaue Rose. Wenn die Kräfte im letzten Aufzucken versagten und sie entschlummerte, streckte Vasco sich müde und dankbar aus, träumte mit offenen Augen und lächelndem Mund und hörte den langen Ruf eines Schiffes: In der Sturmnacht rettete er das Schiff aus Seenot und führte es in den regengepeitschten Hafen, wo zitternd, geängstigt, Dorothy auf den Geliebten wartete, den Kapitän Vasco Moscoso de Aragão.
Wie bei einem gewaltigen Saufgelage Vasco an Georges’ Schulter weint, und vom Ergebnis dieser Geständnisse
Monate vergingen, Roberto fuhr nach Rio ab und brachte von dort ein stilles gefügiges peruanisches Indiomädchen mit. Lídio hatte vier oder fünf neue Amouren in Pensionen und Bordells, einschließlich Mimi, der er das Geheimnis der Entführung und der maskierten Räuber enthüllte. Richter Rufino starb im Hurenhaus – ein Ärgernis für die Stadt. Trotz der Carol gemachten Versprechungen war er, den schon der Gedanke an einen neuen Überfall zu Tode erschreckte, nicht mehr in die Pension Monte Carlo zurückgekehrt. Dafür hatte er verstecktere Frauenhäuser aufgesucht und starb bei Laura, wo er eine gewisse Arlette von knapp fünfzehn Jahren entdeckt hatte. Als die arme Kleine sah, wie der Alte auf ihrem Körper im Tode röchelte, schrie und heulte sie los und scheuchte damit die gesamte Nachbarschaft auf, einschließlich eines Schutzpolizisten, der in der Nähe beim Bicho, dem Zahlenlotto, beschäftigt war. Auf diese Weise wurde das Ereignis stadtbekannt, und ein Haufen Neugieriger versammelte sich vor dem Freudenhaus an der Steilgasse São Miguel, als die Leiche abgeholt wurde. Taktlose Witze lösten Gelächter aus, man deutete mit Fingern auf den Herrn Abgeordneten, Sohn des Verstorbenen. Arlette und Laura waren zur Polizei geschleppt worden, wo sie zahllosen Unannehmlichkeiten ausgesetzt wurden. Der Polizist war der Einzige, der Vorteil aus dem Ärgernis zog: Er spielte von neuem im Bicho und setzte 500 Réis aufs Tausend 7015 , Kombination der Lebensalter des Verblichenen und Arlettes, was ein ebenso gescheiter wie glücklicher Tipp war: Das Bicho
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Spiel erfordert Scharfsinn, ein waches Auge für die Schicksalsmächte und die Fähigkeit, aus den Ereignissen Lehren (und Tipps) zu ziehen.
So vieles war vorübergegangen, darunter die Leidenschaft Vascos und Dorothys, die eine Zeitlang so intensiv und fieberhaft, so stürmisch und tief gewesen war. Und zwar dergestalt, dass er ihren Namen auf seinen rechten Arm tätowieren ließ, ihren geliebten Namen und ein Herz, die fachmännische Arbeit eines bärtigen Chinesen, der weiß Gott woher in Bahia aufgetaucht war. Natürlich ließ die Verliebtheit im täglichen Zusammensein allmählich nach. Vasco begann, anderen Frauen Augen zu machen und da und dort ein Schäferstündchen einzuschalten, wenn auch Dorothy den ganzen Sommer im Häuschen von Amaralina sein festes Verhältnis blieb und er sie zu einem Tänzchen in die Pension Monte Carlo mitnahm. Als der Winter kam, kehrte sie für ganz in die Pension zurück, und Carol, eine Kennerin der menschlichen Natur und der Kurzlebigkeit heißer Lieben, riet ihr, den anderen Kunden zuzulächeln und sie in ihren Avancen zu ermuntern. Vasco behielt zwar gewisse Vorrechte und gewisse Verpflichtungen für ihre Ausgaben, aber die große Liebe war erloschen.
Nur die alte Traurigkeit, jene Melancholie, die seinen Blick beschattete und sein Lächeln prägte, war geblieben; schlimmer: sie wuchs noch. Schon vermuteten die Freunde ernstlich eine versteckte Krankheit; sollten Vascos Tage gezählt sein, sollte er es ihnen nur verschwiegen haben? Vielleicht war es eine Herzkrankheit, von der nur er und der Arzt wussten? War nicht sein Vater als junger Mann an derselben Krankheit gestorben? Das würde nach der von Oberst Alencar glühend verteidigten These alles erklären: Vasco war Junggeselle, er warf sein Geld zum Fenster hinaus, er hatte es eilig im Leben, als wollte er in der ihm zur Verfügung stehenden kurzen Zeit so viel wie möglich genießen. Nur das konnte der geheimnisvolle Grund sein.
Dr. Menandro Guimarães, ein berühmter Kliniker und obendrein Herzspezialist, belehrte sie eines Besseren: Vasco hatte ihm mehrmals die zarte, zur Grippe neigende Dorothy gebracht.
»Der ist stark wie ein Stier«, hatte Dr. Menandro
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