Zwei Geschichten von der See
ist …«
Er schob die Mulattin Ciarice von seinen Knien herunter, nahm Vasco am Arm und zog ihn in eine verlassene Ecke des Saales:
»Seu Aragãosinho, heute wirst du mir sagen, was für eine Scheißlaus dir über die Leber gelaufen ist. Mach den Mund, auf und spuck’s aus!«
»Was soll ich denn ausspucken?«
»Was du eben hast, eine Frauengeschichte, eine Krankheit, Reue über ein Verbrechen, was auch immer. Ich will endlich wissen, warum du immer so bekümmert dreinschaust …«
Vasco blickte den Freund an, er fühlte seine Kameradschaftlichkeit, seine Teilnahme, der Hafenkommandant war ein guter Mensch.
»Was mich wurmt, ist im Grunde eine Torheit. Aber trotzdem treibt es mich um, wenn ich dran denke …«
»Woran?« Der Augenblick war gekommen, Georges war hellwach, sein Rausch war wie verflogen.
»Ich bin nicht euresgleichen, ich bin nicht …«
»Du bist nicht was?«
»Euch nicht ebenbürtig, verstehst du, was ich meine?«
»Nein …«
»Schau: Du bist Hafenkommandant, Seeoffizier, Kapitän … Pedro ist Oberst; Jerônimo Arzt, Doktor; Lídio Leutnant … Und ich? Ich bin nichts, bin eine Scheiße, bin Vasco, Seu Aragãosinho, ohne Titel, ohne nichts …«
Er blickte dem Kapitän ins Gesicht, nun konnte er frei von der Leber weg reden und stammelte hervor:
»Seu Vasco … Seu Aragãosinho … Jedes Mal, wenn ich diese Anrede höre, versetzt’s mir einen Stich hier drinnen, ein Ekelgefühl …«
»Aber das ist doch Blödsinn, Freundchen! So was wär mir nie in den Sinn gekommen. Ich hätte an alles gedacht, sogar, dass du einen umgelegt haben könntest, oder sonst was Grausiges … Aber nur leiden, weil du keinen Titel hast, wo hat man schon so was gesehen? …«
»Du weißt halt nicht, wie das ist …«
»So was … Noch kürzlich hat jeder von uns seinen Titel, seine Stellung mit deinem Leben vertauschen wollen … Was ist das nur für eine verrückte Welt …«
»Was weißt du denn, wie das ist, wenn man mit Obersten, Kapitänen, Doktoren verkehrt und selbst ein Dreck ist …«
Plötzlich fing der Kapitän zu lachen an, als wäre seine Betrunkenheit zurückgekehrt, als bestünde Vascos Bitternis aus einer Reihe unwiderstehlicher Anekdoten, und er hörte nicht auf zu lachen. Der Kaufmann wurde gekränkt:
»Wenn’s zum Lachen ist, warum hast du mich dann gefragt?« Damit stand er auf.
Der Hafenkommandant hielt ihn am Ärmel fest:
»Setz dich, du Döskopp.« Mühsam bezähmte er seinen Lachreiz. »Willst du mir sagen, ob deine Traurigkeit, deine bedepperte Miene sich aufhellen würde, wenn du einen Titel hättest?«
»Was für einen Titel kann ich in meinem Alter noch kriegen?«
»Ich werde dir einen besorgen …«
»Du?«, fragte Aragão, an Georges’ Späße gewöhnt, argwöhnisch.
»Klar, ich. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ich bitte dich um Himmels willen um eines, Georges: Du kannst spaßen, womit du willst, du kannst mich auf den Arm nehmen, solange du magst, aber nicht mit dieser Sache. Darum bitte ich dich inständig …«
Er war ernst und ergriffen. Der Hafenkommandant wiegte den Kopf, seine blauen Augen hefteten sich auf Vasco:
»Sei nicht blöd! Glaubst du, ich mache mich über den Kummer eines Freundes lustig? Ich habe dir ja gesagt, dass ich dir einen Titel beschaffen werde. Und das werde ich halten. Mir ist ernst dabei. Heute ist Feiertag, heute wird getrunken. Morgen sprechen wir weiter. Ich werde deinen Fall in die Hand nehmen.«
Am frühen Nachmittag des nächsten Tages schickte der Hafenkapitän einen Matrosen mit der Botschaft zu Vasco, er erwarte ihn im Hafenamt. Der Kaufmann schlief noch, an allen Gliedern zerschlagen von der gestrigen Orgie. Nur Georges besaß jene brutale Widerstandskraft; er mochte erst gegen morgen ins Bett fallen, aber zu gewohnter Stunde war er im Hafen auf seinem Posten, frischrasiert, quietschfidel, als hätte er zwölf Stunden geschlafen.
Vasco machte sich eilends fertig, die Unterhaltung vom Vorabend mitten im Festtrubel fiel ihm wieder ein. Was für ein Titel war das wohl, den Georges ihm so feierlich versprochen hatte? Zwar fürchtete er eine neue Posse, aber der andere hatte ernsthaft gesprochen, seine Späße hatten ihre Grenzen. Immerhin konnte Vasco die für seinen Fall angekündigte Lösung nicht erraten, schließlich lagen Titel und Patente nicht auf der Straße.
Als er ins Hafenamt kam, war bereits Oberst Pedro de Alencar zur Stelle und rief Vasco zu:
»Aber was für ein Unsinn,
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