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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Hand, aufs Fensterbrett gestützt, den Blick übers weite Meer gleitend, die weiße Mähne vom Wind zerzaust.
    »Du, mein lieber Freund, und Rúi Pessoa sollt meine Zeugen sein bei dem Duell, zu dem ich den Verleumder herausfordern werde. Da ich der Beleidigte bin, steht mir die Wahl der Waffe zu. Ich fordere Pistolen mit sechs Schuss und das Anrecht, alle sechs Patronen zu feuern. Zwanzig Schritt Abstand, Ort: der Strand. Wer fällt, wird ins Meer gerollt.«
    Zequinho Curvelo war sofort begeistert und machte sich unverzüglich auf, um seine Mission loszuwerden. Aber vergebens. Chico Pacheco weigerte sich sogar, Zeugen zu ernennen. Er war nicht der Mann, der sich zu einem Duell hergab, so ein Unsinn gehe haarscharf zu weit, in unserer Zeit sei ein Duell einfach lächerlich und schlechthin von vorgestern. Er, Chico Pacheco, verabscheue Feuerwaffen, schon bei ihrem Anblick werde ihm übel. Vermutlich habe der Scharlatan mit Offizieren von Heer und Marine verkehrt. Damit wolle er nichts zu tun haben. Wenn das Großmaul es unbedingt wolle, solle er zum Gericht gehen und einen Verleumdungsprozess anstrengen; er, Chico Pacheco, würde dann alles, was er bislang behauptet hatte, schwarz auf weiß beweisen. Wenn der andere Schneid habe, solle er ruhig zum Gericht gehen. Ein Duell beweise nur, wer der bessere Schütze sei. Nein, von einem Duell wolle er nichts wissen.
    Zequinha sagte nur ein Wort: »Feigling!«
    Die Herausforderung geschah auf dem Platz, wo die Feinde des Kommandanten gewöhnlich zusammenkamen, und Chico Pacheco büßte bei seinen Bewunderern einen Teil seines Ansehens ein. Die Aussicht auf einen Zweikampf gefiel beiden Gruppen in gleicher Weise und reizte ihre Nerven. Der Vorteil des Kommandanten war jedoch von kurzer Dauer. Im Grunde blieb der Zweifel haften, schon fanden seine Geschichten nicht mehr ihr einstiges Echo, schon riefen sie nicht mehr die alte Begeisterung hervor.
    Selbst Zeqinha Curvelo bemerkte eines Tages:
    »Tatsache bleibt, dass die Behauptungen dieses Miststücks nie widerlegt worden sind.«
    Der Kommandant blickte ihn mit seinen wasserblauen Augen an:
    »Wenn ich Beweise herbeischaffen muss, um mich gegen einen Feigling zu verteidigen, der vom Feld der Ehre geflüchtet ist, wenn es Leute gibt, die zwischen seinem Wort und dem meinen schwanken, dann ziehe ich es vor, von hier fortzuziehen. Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass ein Haus auf der Insel Taparica zum Verkauf angeboten ist. Dort bin ich wenigstens draußen auf See, wie auf einem Schiff, fern von Niedertracht und Neid.«
    Und er hob das gesenkte Haupt:
    »Eines Tages wird man mir Gerechtigkeit angedeihen lassen, man wird mich vermissen. Aber nie werde ich mich so weit vergessen, dass ich einen Jämmerling, einen Hosenscheißer Lügen strafe.«
    So lagen die Dinge, als etwas Neues geschah und die Wahrheit sich Bahn brach. Dies hing weder vom Kommandanten noch von Chico Pacheco ab, auch nicht von Zequinha Curvelo, von Adriano Meira oder dem alten José Paulo, Marreco, dem Einzigen, der nicht den Kopf verlor und inmitten des Sturmes seinen Gleichmut bewahrte. Es war das Schicksal, der Zufall, das Glück – man nenne es, wie man wolle.
    Auch ich hatte den Eingriff des Schicksals gewünscht, um den wachsenden Argwohn des hochverdienten Herrn Oberlandesgerichtsrats, Doktor Alberto Siqueira, zu zerstreuen – etwas, um ihm die Reinheit meiner Beziehungen zu Dondoca zu beweisen, was freilich nur ein Reflex meiner dem illustren argwöhnischen Gelehrten entgegengebrachten Freundschaft war. Unmöglich? Weil ich ja die Stirn des Hochverdienten mit Hörnern versah und seine Schokolade und sein Betthäschen schnabulierte? Nur deswegen? Dann weiß der Leser also nicht, dass das Schicksal launisch ist? Wenn es eingreift, um die Wahrheit wiederherzustellen, handelt es aus Gründen der Sympathie und nicht aus Rücksicht auf Beweise und Belege. Warum sollte es dann nicht auch dem Richter meine Unschuld beweisen und dabei meine dem Hochverdienten in Dondocas Kuschelbett geleisteten Hilfsdienste in Anrechnung bringen? Denn ich verlasse sie ja gegen Morgen zufrieden, fröhlich und bereit, die endlose Öde ihres erleuchteten Beschützers geduldig und lächelnd zu ertragen.
    Wo davon die Rede ist, wie der Kommandant abreist mit unbekanntem Ziel oder um sein Schicksal zu erfüllen, denn dem Schicksal entflieht niemand auf dieser Welt
    An jenem Tag, an dem der Regen wie eine Sintflut niederrauschte, der Wind von der hohen See her das Vorstädtchen

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