Zwei Herzen im Winter
damals Achtzehnjährige, hatte sich von ihrem Liebreiz und Charme umgarnen lassen. Er hatte nicht auf die besorgten Blicke seiner Eltern geachtet, die große Bedenken gegen sein heftiges Werben erhoben hatten. Er war völlig verzückt von ihrer Schönheit, dem schimmernden Goldton ihres Haares, ihrem bezaubernden Lächeln. Bald wurde die Verlobung mit einem rauschenden Fest gefeiert, da seine Auserwählte bereits sein Kind unter dem Herzen trug. Allerdings hatte das Paar beschlossen, erst zu heiraten, wenn er den Ritterschlag erhalten und sich seine ersten Sporen verdient hatte.
Talvas musste tief durchatmen, die Kehle schien ihm nahezu zugeschnürt zu sein. Und dann war es zum Streit gekommen, da er sich in den Kopf gesetzt hatte, durch eigene Leistungen zu Erfolg und Ansehen zu gelangen. Seine Absicht war es, eigene Schiffe zu bauen und damit auf Handelsfahrt zu gehen. Seine Verlobte zeigte sich damit nicht einverstanden und beschwor ihn, die Ländereien und das Gold anzunehmen, die seine Eltern ihm anboten. Zwei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter löste sie völlig unerwartet die Verlobung. Sie verließ ihn wegen eines reichen englischen Adeligen und nahm ihm sein Kind weg. Weder das Mädchen noch die Frau hatte er je wiedergesehen. Talvas verfluchte sie. Das blonde Haar dieser Madame de Lonnieres erinnerten ihn irgendwie an die Frau, die ihm vor langer Zeit das Herz aus dem Leib gerissen und mit Füßen getreten hatte.
Von dieser Stunde an war die See seine Braut, die Wildheit und Unberechenbarkeit der Naturgewalten kamen seinem rastlosen Abenteuergeist entgegen. Er suchte die Gefahr, ohne an die Folgen zu denken. Die Herausforderungen eines Lebens auf dem Meer waren ihm lieber als die Annehmlichkeiten eines geruhsamen Daseins als wohlhabender Landbesitzer und Burgherr. Frauen spielten eine untergeordnete Rolle. Sie blieben gesichtslos, und meist mied er ihre Gesellschaft, suchte sie nur auf, um körperliche Befriedigung zu finden in Begegnungen, die ihm nichts bedeuteten, die ihm höchstens halfen, Vergessen zu finden. Keine Frau würde ihn je wieder zum Narren halten.
„Talvas?“ Guillames Stimme drang durch das Rauschen des Flusses in seine Gedanken. „Meinst du nicht, wir sollten aufbrechen?“ Er warf einen prüfenden Blick in den drohenden Wolkenhimmel.
„Ja, brechen wir auf.“ Talvas sprang auf die Füße, missgelaunt über sich selbst und seine Gedanken an die Vergangenheit. Diese Zeit war endgültig vorüber; er tat gut daran, sie ein für alle Mal zu vergessen. „Madame de Lonnieres, habt Ihr genug gegessen?“, fuhr er sie mürrisch an.
Emmeline warf das Kernhaus des Apfels über ihre Schulter in den Fluss. Den trockenen Brotkanten hatte sie wohlweislich gar nicht ausgepackt, um sich vor den Männern mit ihrer reichhaltigen Wegzehrung nicht schämen zu müssen. Talvas aber bückte sich nach dem Beutel, drehte ihn um und schüttete den Inhalt auf die Decke.
„Ist das alles?“, fragte er, während Emmeline entsetzt auf die Brotkrümel auf dem Umhang starrte, der beschämende Beweis ihres kargen Mahls. „Ich bin nicht hungrig“, erklärte sie achselzuckend, während ihr fein geschnittenes Gesicht sich tiefrot übergoss. Hastig sammelte sie die Brotreste ein und hielt die Hände an die Brust gedrückt. „Bitte nicht …“, stammelte sie, mehr brachte sie nicht über die Lippen.
„Dann esst das Brot unterwegs, Madame. Ich möchte nicht, dass Ihr vor Hunger aus dem Sattel rutscht. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Talvas warf ihr den Beutel in den Schoß, griff nach seinem Umhang und stapfte zu seinem geduldig wartenden Pferd.
Guillame führte ihre Stute bereits am Zügel, half ihr mit einem freundlichen Lächeln auf die Füße und hob sie in den Sattel.
„Dankeschön“, murmelte sie erleichtert. „Ihr habt bessere Manieren als Euer Gefährte.“
Guillame sah sie aus gutmütigen Augen an. „Beurteilt ihn nicht zu streng, Madame . Er meint es nicht so.“ Er tätschelte den Hals ihres Pferdes.
„Guillame, beeil dich“, rief Talvas herüber. „Mach dir keine Umstände mit der Frau!“ Guillame schwang sich in den Sattel und nahm die Zügel auf. Hinter Emmelines Rücken warf er seinem Herrn einen bedeutsamen Blick zu.
Talvas furchte die Stirn. „Diese Ausdruck in deinen Augen kenne ich, mein Freund. Was bedrückt dich?“
Mit einem leichten Kopfnicken in Emmelines Richtung sagte er leise: „Diese junge Frau …“
„Was ist mit ihr …?“
„Es ist mir vorher
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