Zwei Herzen im Winter
überlassen“, knurrte er schließlich und schlug mit der Faust gegen einen Pfosten.
„Ich nehme an, du sprichst von Madame de Lonnieres?“, fragte Guillame, innerlich schmunzelnd, und nahm die Arbeit wieder auf. Er kannte Talvas wie einen Bruder. Als junge Burschen waren sie gemeinsam unter der Schirmherrschaft von Talvas’ Vater, Count Eustace of Boulogne, zu Rittern ausgebildet worden und Freunde geblieben.
„Von wem sonst?“, entgegnete Talvas übellaunig. „Wer sonst könnte unsere Pläne durchkreuzen?“
„Wieso?“
„Sie hat sich in den Kopf gesetzt, der Kaiserin ihr Schiff für die Überfahrt nach England zur Verfügung zu stellen. Zum Teufel! Genau das will Stephen verhindern! Genau das sollen wir verhindern!“ Er schlug die Faust wieder gegen den Pfosten.
Guillame wurde ernst. „Es ist meine Schuld. Ich hätte im Hafen von Barfleur nicht so offen über die Kaiserin reden dürfen.“
„Du konntest ja nicht ahnen, welche Folgen das hat.“ Talvas rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ich sah mich gezwungen, mich als Bootsführer anzubieten. Da Maud fest entschlossen ist, nach England zu reisen, ist es gewiss in Stephens Sinn, wenn ich sie im Auge behalte. Sie scheint Vertrauen zu mir zu haben.“
„Denkst du, die Kaiserin hat heimliche Pläne?“
„Sie behauptet zwar, lediglich die sterblichen Überreste ihres Vaters in England beisetzen zu lassen, aber wer weiß, was sie sonst noch im Schilde führt …“ Geistesabwesend tätschelte er den Hals von Emmelines Stute. „Zum Teufel, wer hätte gedacht, dass dieses unscheinbare Geschöpf solche Scherereien macht!“
„Die Kaiserin?“, fragte Guillame scherzend.
„Diese Madame de Lonnieres, natürlich!“ Talvas furchte enerviert die Stirn.
„Es ist lange her, dass eine Frau dich so sehr in Aufruhr versetzt hat“, stellte Guillame seelenruhig fest.
„So sehr, dass ich sie am liebsten erwürgen möchte“, knurrte Talvas, dann lächelte er, und seine weißen Zähne blitzten im Halbdunkel. „Dieses Weib bringt mich noch zur Raserei. Da Maud entschlossen ist, zu reisen … müssen wir sie begleiten.“
Mit gerafften Röcken, um das kostbare Gewand nicht zu beschmutzen, begab Emmeline sich auf die Suche nach der Großen Halle. Die Fackel in ihrer Linken spuckte sprühende Funken und verbreitete einen scheußlichen Geruch nach ranzigem Talg. Von Ferne hörte sie gedämpftes Stimmengewirr der Tafelnden, vermischt mit gelegentlichem Gelächter und den süßen Klängen von Harfe und Leier. Mit seitlich geneigtem Kopf versuchte sie zu orten, aus welcher Richtung die Geräusche kamen. Die Burg schien aus einem verschlungenen Gewirr dunkler Gänge zu bestehen, die einander kreuzten, bis ein Fremder die Orientierung verlor. Beim Hinuntersteigen schmaler Steinstufen stellte sie fest, dass der Lärm leiser wurde. Sie blieb stehen und wollte umkehren.
„Guten Abend, Madame.“
Sie erkannte die nasale Stimme von Earl Robert und fuhr jäh herum. Seine spindeldürre Gestalt auf der obersten Stufe versperrte ihr den Weg. Seine boshaften kleinen Augen musterten sie abschätzend. „Wie ich sehe, hat Beatrice dich fein herausgeputzt.“ Er kam eine Stufe herunter. „Entzückend.“ Seine gedehnte Stimme klang lüstern. Emmeline grub die Fingernägel in ihre Handflächen und mahnte sich zur Ruhe.
„Ja, das war sehr freundlich von ihr“, bestätigte sie, da ihr nichts Besseres einfiel.
„Du siehst reizend aus.“ Der Earl stieg die letzten Stufen herab und versuchte, ihr mit seinen knochigen Fingern die Wange zu streicheln. Emmeline riss den Kopf hoch, so heftig, dass sie beinahe gegen die Holztür hinter sich stieß. „Es ist gefährlich, allein durch die verwinkelten Gänge dieser Burg zu wandern. Erlaube mir, dich in die Halle zu begleiten.“ Sein heuchlerischer Tonfall verstärkte ihren Argwohn. Sie glaubte ihm kein Wort.
„Lasst mich gehen.“ Angst stieg in ihr auf.
„Nicht so eilig, mein Kind. Deine Schönheit hat es mir angetan. Ich fordere einen Kuss.“
„Nein … nein!“ Sie wich zurück, bis sich die Eisenbeschläge der Tür in ihren Rücken bohrten. „Lasst mich gehen, Mylord.“
„Erst will ich einen Kuss … und ein Versprechen.“ Er lächelte anzüglich und starrte lüstern auf die Rundungen ihrer Brüste. „Zier dich nicht so, niemand wird davon erfahren.“
„Ich beschwere mich bei der Kaiserin über Euer Benehmen!“, drohte sie in höchster Not.
„Pah! Denkst du, meine Schwester schert sich um eine wie
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