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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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seinem Hohn zusammen. „Wahrscheinlich hätte ich mit einem Skelett mehr Spaß als mit dir. Und was ist mit den Kindern, die du mir versprochen hast? Wo sind sie denn? Ich brauche Söhne, die meinen Namen weiterführen, mein Erbe antreten. Du vertrocknete Vogelscheuche, ich wünschte, ich wäre dir nie begegnet.“
    Damit versetzte er ihr mit der flachen Hand einen heftigen Stoß gegen die Brust, der sie gegen die Mauer taumeln ließ. „Ich behandle dich, wie es mir beliebt“, höhnte er, „weil du mein Weib bist und gefälligst das zu tun hast, was ich dir befehle.“ Bei seinem nächsten Stoß sackte sie kraftlos zu Boden.
    „Nicht mehr lange“, entgegnete sie tonlos. Sie nahm seine aufgedunsene und wutverzerrte Fratze nur verschwommen durch ihren Tränenschleier wahr. „Ich verlasse dich und kehre nach Frankreich zurück. Emmeline kommt und holt mich.“
    Edgar brach in wieherndes Gelächter aus. „Die hat längst vergessen, dass es dich gibt.“ Seine Augen quollen aus den Höhlen. „Du hast es doch nicht einmal für nötig befunden, dich damals anständig von deiner Familie zu verabschieden. Deine Schwester will nichts mehr von dir wissen.“
    „Emmeline ist nicht nachtragend“,murmelte sie schwach, ohne rechte Überzeugung. „Sie hat mir verziehen.“ Emmelines betrübtes Gesicht bei ihrer Ankündigung, sie verlasse Barfleur, hatte sie damals kaum ertragen. Die Schwestern waren sich immer nahe gewesen. Ihrer Mutter unter die Augen zu treten, hatte sie nicht gewagt; sie hätte ihr bittere Vorhaltungen gemacht, ihr Kind im Stich gelassen zu haben. Deshalb hatte sie Emmeline gebeten, ihre Mutter erst von ihrer Abreise zu unterrichten, wenn das Schiff bereits nach England segelte. Emmeline hatte Sylvie in die Arme geschlossen und ihr beim Abschied viel Glück gewünscht.
    Edgar blickte voller Verachtung auf die abgemagerte, vor ihm kauernde Gestalt. Dieses schwächliche, ewig kränkelnde und reizlose Weib! Er grinste. Es bereitete ihm Vergnügen, sie zu demütigen, sie sich gefügig zu machen. Sie sollte im Staub vor ihm kriechen. Ohne ihn würde sie nicht überleben – ohne Besitz, ohne Freunde oder Verwandte in diesem Land, war sie ihm völlig ausgeliefert. Und er genoss die Macht, die er über sie hatte. Edgar pflegte sich die Treue seiner Untertanen durch Angst und Schrecken zu sichern, im Notfall auch zu erkaufen. Kein Mensch würde Sylvie Unterschlupf gewähren, im Wissen um seine gnadenlose Vergeltung. Sollte allerdings diese Schwester hier auftauchen, galt es, Vorkehrungen zu treffen. In ihr hätte Sylvie möglicherweise eine Verbündete. Edgar starrte feindselig auf seine zusammengekrümmte Frau. Sylvie gehörte ihm, er konnte sie behandeln, wie es ihm gefiel, und niemand sollte ihm seinen Besitz streitig machen.
    Seine gehässige Stimme traf sie wie ein Peitschenhieb, Nadelstiche der Angst durchbohrten sie.
    „Ich werde dir eine Lektion erteilen, Sylvie, die du nicht vergessen wirst.“
    Der nächtliche Sturm hatte sich gelegt. Schnee bedeckte die Erde, der in den ersten Sonnenstrahlen glitzerte wie feine Kristallsplitter. Die Bäume reckten ihre kahlen Äste in den blauen Himmel. Emmeline trat ins Freie, blinzelte in die gleißende Helligkeit und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
    „Komm, Emmeline, ich helfe dir in den Sattel.“ Talvas stand bereits neben seinem Hengst und lächelte ihr aufmunternd zu. Ihr Gesicht und ihre Kleider wiesen immer noch Lehmspuren von ihrer nächtlichen Flucht auf, und das zerzauste, notdürftig geflochtene Haar verliehen ihr das Aussehen eines Gassenkindes, allerdings eines höchst reizvollen.
    „So früh schon?“, murmelte sie schlaftrunken. Irgendwann in der Nacht waren beide dann doch eingeschlafen, trotzdem fühlte sie sich wie gerädert.
    „Wir müssen uns beeilen, Emmeline“, drängte er. „Ich möchte niemandem begegnen.“ Über dem Kettenhemd trug er den blauen, goldbestickten Wappenrock, unter dem seine eng anliegenden braunen Beinkleider sichtbar wurden. Der Kopfschutz lag wie ein silberner Kragen um seine Schultern. Sein dichtes schwarzes Haar glänzte in der Morgensonne.
    „Denkst du, wir sind in Gefahr?“ Sie näherte sich ihm zögernd durch den knirschenden Schnee.
    „Wir leben in unruhigen Zeiten. Falls es Stephens Soldaten nicht gelingt, der Kaiserin Einhalt zu gebieten, wird sie mit Roberts Hilfe rasch eine Armee zusammenstellen. Sie hat in diesem Land viele Anhänger, die bereit sind, gegen Stephen zu kämpfen.“
    „Kommt es zu

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