Zwei Herzen im Winter
einem Bürgerkrieg?“
„Möglicherweise. Jedenfalls möchte ich nicht gern ins Kreuzfeuer geraten.“
„Aber Talvas“, flüsterte sie ängstlich. „Maud ist auf meinem Schiff nach England gekommen.“
„Ja“, bestätigte er und lächelte dünn. „Und ich war der Bootsführer auf deinem Schiff.“
Emmeline schüttelte den Kopf. „Und warum hast du mich nicht daran gehindert?“
Seine blauen Augen suchten die ihren. „Weil du nicht aufzuhalten warst, Madame.“ Sie setzte zum Protest an, er aber hob beschwichtigend die Hand. „Ich scherze nur. Maud hätte ein anderes Schiff gefunden, um den Ärmelkanal zu überqueren. Es hätte nur etwas länger gedauert, wenn du dich nicht so eifrig darum bemüht hättest, den Handel mit ihr abzuschließen.“
Emmeline errötete. „Aber du hättest dich nicht bereit erklären müssen … ich hätte einen anderen Bootsführer gefunden.“
„Dadurch bot sich mir die Möglichkeit, Maud im Auge zu behalten.“ Und auch dich, meine Schöne, dachte er im Stillen, und sein Blick glitt liebevoll über ihre anmutige Gestalt.
„Dann hältst du also Stephen die Treue, wie?“ Sie stellte einen Fuß in seine verschränkten Hände und hielt sich an seiner Schulter fest.
„Wenn ich gezwungen bin zu kämpfen, kämpfe ich an seiner Seite. Er ist der Gemahl meiner Schwester.“ Seine Augen verdunkelten sich, als er ihr Gesicht studierte. „Komm, das Pferd wird unruhig. Ich will noch am Vormittag Waldeath erreichen.“ Schwungvoll hob er sie in den Sattel, bevor er hinter ihr aufsprang.
„Zier dich nicht und lehne den Rücken an mich“, befahl er, als sie stocksteif vor ihm saß, um Abstand zu halten. „Das Pferd spürt doch, wie verkrampft du bist.“ Zögernd lehnte Emmeline sich an seine Brust. Nach ihrem Gefühlsausbruch in der vergangenen Nacht war ihre Scheu gewachsen, ihre Zurückhaltung ihm gegenüber hatte sich verstärkt. Sie schalt sich, die Beherrschung verloren und ihm die schrecklichen Erlebnisse in ihrer Ehe gestanden zu haben, wobei er ihr geduldig zugehört hatte, ohne Mitleid zu zeigen oder eine Spur von Spott. Seine stumme Gegenwart hatte ihr Trost und Halt gegeben. Beim Gedanken, dass diese Reise zu ihrer Schwester die letzten Stunden ihres Zusammenseins bedeuteten, zog sich ihr Herz zusammen. Sie kannte seine Pläne zwar nicht, wusste aber, dass er bald für immer aus ihrem Leben scheiden würde. Er würde ihr fehlen.
Das Pferd erklomm einen schmalen Pfad durch den Wald und erreichte an der Hügelkuppe offenes Heideland. Talvas drückte dem Hengst die Absätze in die Flanken, schlang einen Arm um Emmeline und galoppierte los. Sie jagten über den gefrorenen Boden, bedeckt mit Heidekraut und welkem Gestrüpp. Nur gelegentlich ragte ein knorriger kahler Baum in den Himmel.
„Es ist nicht mehr weit“, verkündete Talvas. „Waldeath liegt im nächsten Tal.“ Über der eintönig grauen Landschaft wölbte sich ein wolkenlos blauer Himmel, als das Pferd die nächste Hügelkuppe erreichte. Vor ihnen lag ein weites Tal, dessen fruchtbare Äcker und Viehweiden sich bis in die dunstige Ferne erstreckten. An einen Südhang schmiegten sich die Häuser des Dorfes von Waldeath – die lichterloh brannten.
„Gütiger Gott!“, rief Emmeline. „Talvas, das Dorf steht in Flammen! Meine Schwester!“ Sie wollte ihm die Zügel entreißen, um loszugaloppieren, und richtete sich im Sattel auf.
„Bleib ruhig!“, befahl er, zog sie wieder an sich und jagte los. Der Hengst sprengte im gestreckten Galopp den Hügel hinunter und schleuderte dicke Erdklumpen wie Wurfgeschosse nach hinten. Aus den Strohdächern der Hütten züngelten rötliche Flammen, dunkler Rauch quoll hervor und verdeckte die Sonne, beißender Brandgeruch lag in der Luft. Die Schreie der Dorfbewohner gellten durch das Tal, die kopflos hin und her rannten und nach ihren Angehörigen riefen. Viele der verstörten Menschen waren blutüberströmt. Ein Mann lag mit gespaltenem Schädel in seinem Blut, einem anderen war der Arm mit einem Schwerthieb abgehackt worden. Unter den Dorfbewohnern war ein fürchterliches Gemetzel angerichtet worden.
„Heilige Maria, Mutter Gottes“, hauchte Emmeline, von Grauen erfüllt. „Wer ist zu solchen Gräueltaten fähig?“ Sie hielt sich krampfhaft am Sattelknauf fest und beugte sich vor. „Wir müssen den Leuten helfen.“ Sie befreite sich aus Talvas’ Arm, hielt sich an der Mähne des Pferdes fest und glitt zu Boden. Der Saum ihres Gewandes verhedderte sich am
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