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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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bei dir?“
    „Sylvie ließ das Kind bei uns, als sie mit Lord Edgar nach England reiste.“
    „Das ist also sein Name.“ Er ballte wieder die Fäuste. Sein kalter verächtlicher Blick glitt über Emmelines Schulter zur weinenden Sylvie. „Sie hielt es nicht einmal für nötig, mir den Namen des Mannes zu nennen, dessentwegen sie unsere Verlobung löste.“
    „Verlobung?“ Emmelines Stimme klang hohl. Eifersucht krallte sich in ihre Eingeweide, wand sich wie eine wütende Schlange.
    „Ja, Madame, deine Schwester und ich waren verlobt.“ Talvas’ Stimme war voller Wut. „Gegen den Willen meiner Eltern, wenn ich hinzufügen darf. Die Vermählung des Sohnes eines Edelmanns mit einer Dienerin fand nicht unbedingt ihre Zustimmung.“
    Ein Ruf hinter ihm ließ ihn jäh herumfahren. Ein junger Bursche rannte durch das Torhaus auf den Hof, mit weit aufgerissenen Augen und tränenverschmiertem Gesicht. „Herrin!“, schrie er, an Sylvie gerichtet. „Herrin, sie kommen zurück. Die Soldaten kommen zurück.“
    „Dann gnade uns Gott.“ Sylvie bekreuzigte sich, ein bleiches Gespenst, das verloren im Burghof stand, zitternd in ihrem hellblauen Bliaut .
    „Bring sie in die Burg!“, rief Talvas Emmeline zu und zog sein Schwert mit einem tödlichen Surren. Mit versteinerter Miene marschierte er zum Burgtor. Die schwarzen Rauchwolken quollen durch das Torhaus in den Hof, begleitet von den gellenden Todesschreien der Dorfbewohner.
    „Talvas, nein! Bleib hier!“ Emmeline rannte hinter ihm her, klammerte sich an seinen Ärmel. Er blieb stehen und zog erstaunt eine Braue hoch. „Geh nicht alleine dort hinaus. Sie bringen dich um.“
    „Willst du mich etwa begleiten?“
    Sie rang die Hände. „Nein. Aber was kannst du gegen eine Horde bewaffneter Mörder ausrichten?“
    „Ein paar Soldaten jagen mir keine Angst ein, Madame. Kümmere du dich lieber um sie …“ Er wies mit dem behandschuhten Daumen zu Sylvie hinüber. „Und sorge dafür, dass sie mir nicht unter die Augen kommt.“
    Emmeline schaute ihm nach, bis seine hohe Gestalt im Dunkel des Torhauses verschwunden war. In jedem seiner weit ausholenden Schritte spürte sie seine Pein und Trauer um den Tod seiner Tochter Rose. Die unerwartete Begegnung mit Sylvie hatte alle qualvollen Erinnerungen in ihm wieder wachgerufen. Sie wollte ihm nachlaufen, bei ihm sein, nur die Verantwortung für ihre Schwester hielt sie zurück.
    „Warum hast du ihn hierher gebracht?“, schluchzte Sylvie.
    „Ich habe es doch nicht mit Absicht getan, Sylvie.“ Emmeline zwang sich, den Blick vom Burgtor zu wenden. „Ich hatte keine Ahnung, dass ihr euch kennt, dass ihr … verlobt gewesen seid.“ Sie hatte Mühe, die Worte auszusprechen. „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“
    „Das war eine Zeit in meinem Leben, auf die ich nicht stolz bin, Emmeline.“ Sylvie ließ beschämt den Kopf hängen. „Talvas hat guten Grund, mich zu hassen.“
    Emmeline furchte die Stirn. „Aber ich könnte mir denken …“
    Sylvie lächelte matt. „Nein, Emmeline, versuch es erst gar nicht. Ich fürchte, Talvas wird mir nie verzeihen.“ Tränen liefen ihr über die eingefallenen Wangen.
    Emmeline legte die Hände an Sylvies Schultern. „Verzweifle nicht, er ist ein verständnisvoller Mann. Er ist ein guter Mensch.“
    „Ich habe mich so sehr in ihm geirrt.“ Sylvie schüttelte den Kopf, eine blonde Strähne fiel ihr ins Gesicht, die ihr Emmeline hinters Ohr strich, dabei berührten ihre Finger einen bläulich verfärbten Bluterguss. „Was ist geschehen? Haben die Angreifer dich geschlagen?“
    Nur einer, dachte Sylvie bitter, und ihre Tränen flossen verstärkt. Edgar hatte ihr gedroht, ihr eine Lektion zu erteilen, und er hatte es verursacht. Er hatte das zerstört, was ihr in diesem gottverfluchten Land am meisten am Herzen lag: die Dorfbewohner von Waldeath. Sie hatte ihn angefleht, gebettelt, hatte ihm hoch und heilig geschworen, alles zu tun, was er von ihr verlangte. Aber es hatte nichts genützt. In gestohlenen roten Wappenröcken von König Stephen, die sie über ihren Kettenhemden trugen, ihre Gesichter unter Helmen und Nasenschutz versteckt, hatten Edgar und seine Soldaten das Dorf niedergebrannt. Er hatte seine eigenen Dorfbewohner getötet und verletzt, nur um ihr eine Lehre zu erteilen. Nach dem Gemetzel war er triumphierend zurückgekehrt und hatte alle Burgbewohner fortgejagt, jeden, der vielleicht ihre Partei ergriffen hätte. Danach hatte er sie völlig allein in der

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