Zwei Herzen im Winter
mit Stephens Soldaten … und den König persönlich“, antwortete er. „Ich gab mich niemandem zu erkennen, und so erfuhr ich von Stephens Plänen für dich und Lord Talvas.“
„Ihr seid ein Verräter.“ Und ein gewalttätiger Tyrann, genau wie Giffard, fügte sie im Stillen hinzu.
Edgars wulstige Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. „Stephen ist ein Usurpator. Der Thron steht Kaiserin Maud zu. Aber er bleibt nicht mehr lange König, dafür sorge ich. Lord Talvas wird ihn mir direkt in die Hände spielen.“
„Darauf würde ich mich nicht verlassen“, entgegnete Emmeline höhnisch. „Aus welchem Grund sollte Lord Talvas den König für eine einfache Frau aus dem Volk verraten?“
„Weil ich gesehen habe, wie er dich anschaut, wie er mit dir redet. Und ich wette, zwischen euch ist mehr, als man auf den ersten Blick erkennt.“
Eine verräterische Röte überflog ihr Gesicht. Edgar kicherte boshaft. „Ich wusste es. Ich habe recht. Ihr habt es miteinander getrieben, oder willst du das etwa leugnen?“
„Das geht Euch nichts an“, entgegnete sie schroff.
Edgar wuchtete seine Leibesfülle hoch. „Zu schade, dass ich auf dich verzichten soll.“ Angstschauer rieselten ihr über den Rücken, ihre gefesselten Hände krallten sich um die Armstützen des Stuhles, als er ihr seine feiste Hand aufs Knie legte. Der Stoff ihres Bliauts kratzte an seiner Handfläche, als er ihn mit seinen Fingern nach oben schob, ihre Schenkel hinauf. Sein fauliger Atem schlug ihr ins Gesicht. Übelkeit drohte ihr den Magen umzudrehen. „Aber vielleicht auch nicht“, murmelte er lüstern. „Wer soll schon davon erfahren?“
„Was mag Sylvie nur an Euch gefallen haben?“ Die Angst zwang sie, klar zu denken, sich darauf gefasst zu machen, was ihr bevorstand. Jeder Muskel, jede Sehne spannte sich an, ihr graute vor seiner widerlichen Berührung.
Edgar nahm seine Hand weg. „Diese dumme Gans hätte mich beinahe verraten. Nach allem, was ich für sie getan, was ich ihr geboten habe.“
„Was heißt, sie hätte Euch verraten?“, fragte Emmeline lauernd. Ihr dumpfer Herzschlag dröhnte in ihren Ohren.
„Sie wusste, dass ich in die Burg zurückgekommen bin. Ich sah den Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie mich beobachtete. Sie glaubte, ich würde schlafen. Sie wollte zum König laufen und ihm sagen, wer ich bin und was ich getan habe. Zum Glück konnte ich sie daran hindern.“
„Sie daran hindern?“
Er hob seine fleischigen Hände und begann die Finger, einen nach dem anderen, zu krümmen. „Ich habe sie mit meinen bloßen Händen erwürgt. Das war ganz leicht.“
Emmeline stöhnte auf, ihr Kopf fiel nach vorne. Liebe, tapfere Sylvie! Sie hatte versucht, den König zu warnen. Sie hatte sich nicht das Leben genommen.
Edgar holte einen schmutzigen Leinenfetzen aus seiner Tasche. „Ich habe genug von deinem blöden Geschwätz.“ Er band ihr das Tuch um den Mund und verknotete es am Hinterkopf so fest, dass sie keinen Laut mehr von sich geben konnte. Verzweifelt warf sie den Kopf von einer Seite zur anderen, um anzudeuten, dass der Knebel sie beinahe erstickte. Aber er lachte nur. „Dadurch hältst du dein Maul, bis ich wiederkomme.“ Er näherte ihr sein Gesicht so dicht, dass sie seine fettigen Poren sehen konnte.
Tränen der Verzweiflung stiegen ihr in die Augen, als Edgar den Riegel zurückschob und sich durch die Tür zwängte, und sie hörte, wie ein schwerer Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Sie hatte keine Ahnung, was Edgar mit ihr vorhatte, wie lange er fortbleiben würde. Talvas würde sie gewiss suchen. Aber wann würde er sie finden? Sie hatte nicht die Absicht, untätig darauf zu warten, bis ihr Peiniger zurückkam. Sie begann damit, hin und her zu schaukeln, um den Stuhl in Bewegung zu bringen, aber dazu fehlte ihr die notwendige Kraft.
Keuchend vor Anstrengung hielt sie inne, suchte das Verlies mit Blicken nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Im Halbdunkel entdeckte sie eine winzige Öffnung in der Wand, der Tür gegenüber, die nicht vergittert war. Neue Hoffnung keimte in ihr auf. Sie zerrte an ihren Handfesseln, scheuerte den Flachsstrick an den Kanten der Armstützen, bis ihre Gelenke blutig geschürft waren, und biss die Zähne gegen den brennenden Schmerz aufeinander. Sie musste entkommen, sonst war ihr Schicksal besiegelt. Dieser Schurke würde sie schänden oder ermorden oder beides. Sie musste Talvas finden. Eine überwältigende Sehnsucht erfüllte sie, in die Geborgenheit
Weitere Kostenlose Bücher