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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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seiner starken Arme zu sinken. Sein Bild gab ihr neue Hoffnung und Kraft.
    „Da vorne ist er“, raunte Guillame, sein Atem bildete weiße Wölkchen in der eisigen Nachtluft. Die goldene Fibel, die seinen Umhang an der Schulter hielt, blitzte im Mondschein, das einzige Zeichen seiner Bewegung, als er sich in den dunklen Schatten drückte.
    „Wir fassen ihn“, murmelte Talvas hinter Guillame und setzte zum Sprung an, um sich auf den Kerl zu stürzen, der Emmeline verschleppt hatte.
    „Nein, mein Freund, noch nicht“, warnte Guillame leise. „Gib ihm etwas Vorsprung. Er ist gerissen und könnte sich verstecken, wenn er uns entdeckt. Oder in der Hütte hält einer seiner Kumpane ein Messer an Emmelines Kehle. Wenn wir ihn jetzt angreifen, könnte er den Kerl warnen und …“
    „Sprich es nicht aus!“ Talvas holte stockend Luft, riss sich die Kapuze vom Kopf und strich sich fahrig durchs Haar. „Ich muss sie aus diesem Loch befreien!“ Seine Verzweiflung war deutlich zu hören.
    „Ich weiß,Talvas“,entgegnete Guillame beschwichtigend. „Und wir holen sie da raus. Hab Geduld.“
    Talvas nickte knapp. Zu seiner großen Erleichterung war Guillame mit einer Abordnung von Stephens Soldaten kurz nach Emmelines Verschleppung auf dem Marktplatz von Wareham eingetroffen. Guillame war der Besonnenere von beiden, da Talvas in seinem rasenden Zorn kaum fähig war, einen klaren Gedanken zu fassen.
    „Ohne Schlüssel können wir die Tür nicht aufbrechen“, fuhr Guillame fort. „Das Fenster ist vergittert und die Tür mit Eisen beschlagen. Wir müssen Edgar den Schlüssel abnehmen …“
    „Und den Hurensohn an den Galgen bringen“, knurrte Talvas. Emmelines kalkweißes Gesicht, den Dolch an ihrem zarten Hals, stand ihm ständig vor Augen.
    Bald folgten die Männer Edgar in einem gewissen Sicherheitsabstand, darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, das sie in der stillen Nacht verraten hätte. Sie verständigten sich in jahrelang erprobter Zeichensprache. Sobald Edgar einen schmalen Pfad ins Tal einschlug, an beiden Seiten von schlanken Birken gesäumt, griffen sie an.
    „Hab ich dich endlich, du Hund!“, schrie Talvas, sprang Edgar in den Rücken, warf ihn bäuchlings in den Schmutz und riss ihm gleichzeitig die Arme nach hinten. „Nimm den Schlüssel an dich, Guillame!“
    „Zu spät“, keuchte Edgar, drehte den Kopf seitlich und spuckte nasse Erde aus. Guillame riss ihm den Lederbeutel vom Gürtel und leerte den Inhalt aus. „Ich wusste, dass du dein Wort brichst“, ächzte Edgar. „Ich habe sie getötet, nachdem ich meinen Spaß mit ihr hatte. Die Schlampe ist tot.“
    Talvas schloss kurz die Augen, durchbohrt von einem namenlosen Schmerz. „Du lügst, die widerlicher Lump!“, schrie er. Wutentbrannt sprang er auf und zerrte Edgar auf die Füße. Guillame, der den Beutelinhalt durchsuchte, schüttelte den Kopf. „Der Schlüssel ist nicht da.“
    „Wo ist er?“, forderte Talvas. Er hielt Edgar am Wams fest und zog seinen Dolch. „Das wird dich zum Reden bringen.“
    „Es hat keinen Sinn. Ich habe ihre Leiche vergraben. Du findest sie nicht.“ Edgar quietschte wie ein Schwein auf der Schlachtbank, als Talvas ihm die Dolchspitze an den Hals drückte.
    „Sag mir, wo der Schlüssel ist“, wiederholte Talvas in tödlicher Ruhe.
    „Den findest du auch nicht.“ Plötzlich hob Edgar den rechten Arm und schleuderte einen blitzenden Gegenstand in hohem Bogen in ein dichtes Dornengestrüpp neben dem Weg. Geistesgegenwärtig verfolgte Guillame den Flug des Schlüssels und stürmte los, noch bevor er im Gestrüpp landete.
    Talvas festigte den Griff an Edgars Wams, drehte die Faust und schüttelte den Fettwanst, bis dieser nach Luft schnappte. „Am liebsten würde ich dir die Kehle aufschlitzen, aber das wäre ein zu gnädiger Tod für dich, du elender Wurm“, knurrte er zähnefletschend.
    „Ich habe ihn!“ Guillame schwenkte triumphierend den Arm in der Luft.
    Talvas durchbohrte Edgar mit hasserfülltem Blick. „Der Sheriff von Wareham wird dich einkerkern, bis du an König Stephens Hof zum Tode verurteilt und gehängt wirst.“
    „Niemals“, röchelte Edgar. In seiner Verzweiflung warf er sein ganzes Gewicht nach hinten, um sich Talvas’ Griff zu entreißen. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen einen Stein, geriet ins Taumeln und brachte Talvas aus dem Gleichgewicht. Die beiden Männer stürzten ineinander verkeilt zu Boden und rollten den abschüssigen Weg hinunter. Edgar strampelte und fuchtelte

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