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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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Glücksgefühl über die wiedergewonnene Freiheit hatte sie erfüllt. In fliegender Hast hatte sie sich die Kleider übergestreift, die sie ausgezogen und hinausgeworfen hatte, um durch die schmale Öffnung zu passen. Anschließend war sie durch die Gassen von Wareham gehuscht, hatte sich nach Westen gehalten, um die Straße nach Hawkeshayne zu ihrem Schiff zu finden. Ihr Vater hatte sie von Kindesbeinen an gelehrt, sich nach dem Stand der Sterne zu richten. Sie hatte rasch den Polarstern gefunden, und achtete seitdem darauf, den hellen Stern zu ihrer Rechten zu haben, so wusste sie, dass sie nach Westen wanderte.
    Sie musste sich weiterschleppen, immer weiter, durfte nicht verzagen. Niemand konnte ihr helfen. Sie musste ihr Schiff erreichen und diesem Land entfliehen. Sie konzentrierte sich darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Ihre Schuhe versanken bis zu den Knöcheln im weichen Schlamm, Nässe und Lehm machten ihre Röcke schwer. Die Dunkelheit lag wie ein bleierner Mantel auf ihren Schultern. Zweifel und Ungewissheit drohten ihr die letzten Kraftreserven zu rauben. Vor Erschöpfung war sie kaum noch fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. War sie gestern mit Talvas nach Wareham geritten? Oder schon einen Tag früher? In ihrem benommenen Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander verschwommener Bilder und Hirngespinste. Sie stolperte, ihre Schulter stieß hart gegen einen Baum, aber sie spürte keinen Schmerz. Ihr Körper war wie ein Eisblock. Vielleicht sollte sie ein wenig ruhen, bevor sie weiterging, ein kurzer Schlaf würde ihr wieder Kraft geben. Der Nebel der Erschöpfung hüllte sie ein, als sie an dem Baumstamm nach unten rutschte und ihr die schweren Lider zufielen.
    Weit vorgebeugt, den Kopf seitlich an den Hals des Pferdes gelehnt, ritt Talvas im gestreckten Galopp querfeldein, ohne an etwas anderes zu denken als daran, Emmeline zu finden. Er fühlte sich so sehr im Einklang mit ihr, dass er zu wissen glaubte, welche Richtung sie eingeschlagen hatte. Als er die schwere Eichentür zu Emmelines Gefängnis aufstieß, hatte er die rußgeschwärzte Kammer leer vorgefunden. Verzweiflung sprang ihn an wie ein wildes Tier, als er die blutbefleckten durchtrennten Fesseln entdeckte, einen grünen Wollfetzen an einem rostigen Nagel unter dem hinteren kleinen Fenster. Tiefe Mutlosigkeit hatte ihn für einen Moment gelähmt: Er würde sie nicht finden, sie nie wieder in die Arme schließen dürfen. Nun aber, als der Himmel sich mit rötlichen Streifen aufzuhellen begann, wusste er, wo er sie zu suchen hatte. Der Lehm spritzte unter den Hufen seines Pferdes auf, als er im vollen Galopp eine Wegbiegung nahm. Doch dann riss er die Zügel zurück. Sein Hengst schlug vor Schreck mit den Vorderläufen aus, und Talvas hatte Mühe, sich im Sattel zu halten.
    In einiger Entfernung versperrte ihm eine kleine Ansammlung von Menschen den Weg. Reiche Reisende, farbenprächtig gewandet, waren von ihren Pferden gestiegen. Rote und golden bestickte Umhänge flatterten im Wind. Leise fluchend beruhigte Talvas sein scheuendes Pferd. Seine kopflose Verfolgungsjagd hatte ihn unvorsichtig gemacht, wobei er doch hätte wissen müsste, wie gefährlich die Wege in diesen unruhigen Zeiten waren. Ein Mann aus der kleinen Schar hob den Kopf. Zu seiner großen Überraschung erkannte er das gutmütige Gesicht von Stephen.
    Mit einem Satz sprang Talvas aus dem Sattel, nahm das Pferd beim Zügel und eilte mit langen Schritten näher. „Stephen!“, begrüßte er seinen Schwager atemlos. „Hast du Emmeline gesehen, Madame de Lonnieres? Sie muss auf dieser Straße unterwegs sein!“
    „Sie ist hier … Talvas. Wir haben sie soeben gefunden.“ Stephens Stimme klang hohl, über sein Gesicht flog ein trauriger Schatten.
    „Nein …“, entfuhr es Talvas tonlos. Ihm war, als zerspringe sein Herz in tausend Splitter. „Es ist nicht wahr, sag mir, dass es nicht wahr ist …“ Er stieß die Menschen beiseite, unbändiger Zorn tobte in seiner Brust. Er spürte Stephens Hand an seinem Arm – und blieb jäh stehen. Er schloss kurz die Augen vor Entsetzen. Emmeline lag leblos und totenbleich auf der gefrorenen Erde. Im nächsten Moment kniete er neben ihr, streichelte ihr aschgraues Gesicht, ihre blauen Lippen.
    „Wir können nichts mehr für sie tun, Talvas. Sie ist erfroren.“ Übelkeit krampfte ihm die Eingeweide zusammen, als er die Stimme seiner Schwester Matilda erkannte. Unablässig streichelten seine Hände Emmelines kalte Haut,

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