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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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wild mit den Armen, um Talvas abzuschütteln, der versuchte, seinen rechten Arm mit dem Dolch zwischen den beiden Körpern zu befreien und von Edgars fettem Bauch zur Seite rollte. Zu spät: Der Dolch hatte sich während des Zweikampfs in Edgars Herz gebohrt.
    König Stephen stand vor dem breiten Portal von Waldeath, die buschigen blonden Brauen zusammengezogen, die sein sonst so freundliches Gesicht verfinsterten. Er strich sich mit der Hand über die Stirn, um den dumpfen Kopfschmerz zu vertreiben. Der Blick seiner wasserblauen Augen ruhte auf einer hochgewachsenen stattlichen Frau, die am Fuß der Steinstufen stand. Sie lächelte ein wenig scheu zu ihm auf. Ihre dunklen Zöpfe waren halb unter dem durchsichtigen Gespinst eines Seidenschleiers verborgen.
    „Matilda, was führt dich hierher?“ In seiner erstaunten Frage lag leiser Tadel.
    „Ich hatte keine Lust mehr, tatenlos in Winchester herumzusitzen, ohne zu wissen, ob du noch am Leben bist. Ich ziehe es vor, bei dir zu sein.“
    Stephen seufzte. „Hier bist du in Gefahr, Matilda.“ Er wies mit weit ausholender Armbewegung über das niedergebrannte Dorf von Waldeath, aus dessen Ruinen Rauchfäden kräuselten. Der beißende Brandgeruch hing immer noch in der Luft. „Maud hat überall ihre Spione. Und du wärst eine willkommene Zielscheibe für sie.“
    „Heutzutage ist man nirgendwo sicher, Stephen“, entgegnete Matilda einschmeichelnd. „Da fühle ich mich an deiner Seite besser aufgehoben.“
    Stephen seufzte wieder. Hinter Matilda trafen seine Soldaten in ihren scharlachroten Waffenröcken Vorbereitungen zum Aufbruch nach Sedroc, um Maud zu vertreiben. Von den Mauern des inneren Burghofs hallten die Rufe der Ritter und die Hufschläge der Pferde wider. Die Kettenhemden glitzerten wie Fischschuppen im hellen Morgenlicht, die Eisennägel der ovalen Schilde blitzten.
    Stephen kniff die Augen zusammen, seine Kopfschmerzen verschlimmerten sich. Er schüttelte bedenklich den Kopf. „Es war nicht klug, hierher zu reiten. Es ist zu gefährlich.“
    „Gefährlich? Wieso hast du dann meinen Bruder Talvas und eine junge Frau mit einer Mission losgeschickt, wie mir zu Ohren gekommen ist?“ Matilda neigte den Kopf seitlich, ihr dünner Seidenschleier wehte im Wind und gab den Blick auf ihr glänzendes schwarzes Haar frei.
    Stephen trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Ein Kundschafter berichtete mir gestern, das Mädchen wurde von einem Häscher der Kaiserin verschleppt … deshalb sind wir im Aufbruch begriffen. Es ist höchste Eile geboten.“
    „Und was ist mit Talvas? Wo ist mein Bruder?“
    Stephen biss sich unter dem eindringlichen Blick seiner Gemahlin auf die Unterlippe. Mein Gott, wie unerbittlich sie gelegentlich sein konnte! „Von seinem Verbleib habe ich nichts gehört“, antwortete er matt.
    „Gütiger Himmel! Stephen!“ Matilda wandte sich bei seiner ausweichenden Antwort entrüstet um und setzte ihren in goldbesticktes feines Leder gehüllten Fuß in den Steigbügel ihrer edlen Stute. Der vornehme Umhang aus rotbraunem Samt teilte sich und gab den Blick auf ihr rotes Bliaut frei. „Hilf mir aufs Pferd. Wie kannst du nur so gelassen sein? Vielleicht ist Talvas etwas zugestoßen, und wir wissen es nicht.“
    „Das halte ich für unwahrscheinlich“, versuchte Stephen sie zu beschwichtigen, während er die Steinstufen hinabeilte, um seiner Gemahlin in den Sattel zu helfen. Ihm blieb keine andere Wahl, als Matilda mitzunehmen. „Ich kenne keinen Mann, der mehr Glück hätte als dein Bruder.“
    „Ja …“ Matilda lächelte milde. „Er ist ein Glückspilz, daran gibt es keinen Zweifel. Aber wenn das Mädchen in Gefangenschaft geraten ist, braucht er unsere Hilfe.“
    Emmeline wusste nicht, wie weit sie gegangen war, es kam ihr vor, als sei sie eine Ewigkeit unterwegs. Der Wind, der in den kahlen Ästen der Bäume heulte, schien ihr ins Ohr zu raunen, sie solle sich hinlegen und eine Weile rasten. Die bittere Kälte zehrte an ihr. Sie wickelte die langen Ärmel ihres Bliauts um die Handgelenke, um sich zu wärmen. Längst waren ihre Schritte nicht mehr energisch und stürmisch wie zu Anfang ihrer Flucht, sie schleppte sich nur noch müde und stolpernd vorwärts.
    Nach langen Mühen hatte sie sich durch die winzige Öffnung ihres Gefängnisses gezwängt und sich ins Freie fallen lassen. Das Brennen der Schürfwunden an den Handgelenken, der geschwollene Mund von dem festgezurrten Knebel waren vergessen, ein jauchzendes

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