Zwei Herzen im Winter
du dir als Nächstes ausheckst.“
Matilda! Natürlich, seine Schwester! Emmeline hob den Kopf ein wenig, ihre blonden Locken lagen wie ein goldener Strahlenkranz auf dem weißen Kissen. Die Frau lachte heiter, melodisch hell, und drehte den Kopf, als sie Emmelines winzige Kopfbewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. „Sieh nur, Talvas! Sie ist endlich aufgewacht!“
„Dem Himmel sei Dank!“ Talvas fuhr sich hektisch durch die schwarzen Locken und war in drei Sätzen an ihrem Bett.
„Talvas“, sagte Emmeline matt und versuchte, die Hand zu heben. „Mein Gott, bin ich froh, dich zu sehen.“
Er beugte sich lächelnd über sie. „Und wie bin ich erst froh, dich zu sehen.“ Er umfing ihre zarten Finger mit seiner großen warmen Hand. Sein Blick glitt forschend über ihr bleiches Gesicht, verharrte an ihrem Hals und dem blutverkrusteten Strich, den Edgars Klinge hinterlassen hatte.
„Du schaust mich an, als hättest du mich nie zuvor gesehen.“
„Ich hatte befürchtet, dich nie wieder zu sehen“, gestand er wehmütig und setzte sich an den Bettrand. Erschöpfung und Sorge hatten sich in seine Gesichtszüge eingegraben, seine Augen waren blutunterlaufen.
„Du siehst schrecklich aus“, sagte sie zärtlich und bemerkte die dunklen Bartstoppeln an seinen Wangen. Jede Einzelheit seines Gesichts prägte sie sich ein, sie konnte sich einfach nicht an ihm satt sehen.
„Er hat nicht geschlafen, seit er Euch in dieses Bett gepackt hat“, meldete Matilda sich zu Wort, die neben Talvas getreten war, eine vornehme Erscheinung in einem reich bestickten Gewand aus rostroter Wolle, das ihre schlanke Gestalt umspielte.
„Wie lange?“ Emmeline versuchte sich aufzurichten, schmerzlich verzog sie das Gesicht.
„Ein paar Tage“, murmelte Talvas und legte sie mit sanftem Druck wieder in die Kissen zurück. „Bleib liegen, Emmeline. Du hast einen Bluterguss an der Schulter. Aber wenigstens heilt der Schnitt an deinem Hals endlich.“ Er strich sanft mit dem Finger über ihren Halsansatz.
Ein Prickeln durchströmte sie. Sie schloss die Augen und wunderte sich, wieso seine harmlose Berührung noch in diesem matten Zustand diese köstliche Wirkung in ihr auszulösen vermochte.
„Emmeline, ist dir nicht gut?“ Seine Stimme klang besorgt.
Sie schlug die Augen auf, ihre Blicke verschmolzen ineinander. Smaragdgrüne Augen tauchten in saphirblaue Tiefen.
„Ich sehe mal in der Küche nach dem Rechten“, erklärte Matilda taktvoll. „Nun weiß ich ja, dass die junge Frau über den Berg ist.“ Keiner der beiden hörte ihre leichten Schritte zur Tür, auch nicht das Klicken des Riegels, als Matilda das Gemach verließ.
„Mir geht es gut, Talvas.“ Emmelines Stimme zitterte ein wenig, als die Erinnerungen auf sie einstürmten, allen voran das Schreckensbild, wie Sylvies Leichnam im dunklen Wasser des Burggrabens trieb.
„Hat der Schurke dir etwas angetan?“
„Nein, aber er hat Sylvie getötet! Sie hat sich nicht das Leben genommen, Talvas. Edgar hat sie erwürgt. Sylvie muss bemerkt haben, dass er sich heimlich in die Burg geschlichen hat. Sie wollte uns warnen, wollte Stephen warnen. Aber dieser Unhold hat sie getötet, um sie daran zu hindern.“
„Gott sei ihrer Seele gnädig“, murmelte Talvas.
„Sie wollte ihre Fehler wiedergutmachen, Talvas. Sie hat bitter bereut, was sie dir damals angetan hat.“
„Das ist mir mittlerweile bewusst. Sie war eine tapfere Frau.“
Er beugte sich vor, schob seine Hände unter Emmelines Schultern und zog sie an seine Brust. „So wie du“, murmelte er an ihrer Schulter. Sie fühlte sich beruhigend warm an.
„Nein, übertreibe nicht“, widersprach sie. „Es gab nichts, womit ich nicht fertig geworden wäre.“
„Mir scheint, du willst mit allen Schrecken alleine fertig werden“, murmelte er und legte sie sanft in die Kissen zurück. „Und woher stammt das?“ Er strich mit einem Finger über den gelblich verfärbten Bluterguss an ihrem Mund.
„Vom Knebel. Ich sagte Edgar, er verschwende seine Zeit mit mir als Geisel, du würdest mich nicht suchen.“
„Aber ich habe dich verzweifelt gesucht, Emmeline.“
„Das wusste ich, aber Edgar konnte es nicht wissen.“ Sie hob die Hand und streichelte seine bärtige Wange.
Talvas legte seine Hand über die ihre. „So kann es nicht weitergehen, Emmeline.“
Eine seltsame Unruhe regte sich in ihrem Herzen.
„Ich glaubte, dich verloren zu haben.“ Seine Stimme war ein tonloses Krächzen. Er drehte ihre Hand
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