Zwei Herzen im Winter
nach außen, strich behutsam mit dem Daumen über ihre wundgescheuerten Gelenke. „Und dann fand ich dich, zusammengebrochen neben dem Weg, und glaubte, du wärst erfroren.“ Er drückte ihre Finger. „Mein Gott, als ich dich so liegen sah …“ Er konnte nicht weitersprechen, schüttelte hilflos den Kopf, war unfähig, seine überwältigende Angst in Worte zu fassen. „Emmeline, das kann ich nicht noch einmal ertragen.“
„Was willst du damit sagen?“, flüsterte sie. Ihr war, als liege unbekanntes, gefährliches Neuland vor ihr.
„Dass ich dich nie wieder verlieren will, nie wieder.“
Sie entzog ihm ihre Hand, nestelte fahrig an ihrem Amulett. Die glatte Jade fühlte sich kühl an und rief ihr den praktischen und logischen Verstand ihres Vaters in Erinnerung. „Das ist ein Versprechen, das wir nicht halten können.“
„Warum nicht?“ In seiner Frage schwang leise Kränkung.
„Du sprichst von … Heirat, Talvas“, stammelte sie und biss sich auf die Unterlippe.
„Ja, darauf wollte ich hinaus.“ In seine Augen trat ein argwöhnisch suchender Blick. Er war im Begriff, Emmeline seine Seele zu offenbaren, aber sie sträubte sich immer noch gegen seine Zuneigung.
„Talvas, ich kann nicht“, fuhr sie tonlos fort.
„Aber warum denn nicht?“ Ungestüm beugte er sich über sie, zog sie an sich und nahm ihren Mund in einem fordernden Kuss in Besitz. Er schlang die Arme um sie und presste ihren schmalen Körper an seine Brust, bevor er sich zwang, den Kuss zu lösen. „Warum leugnest du immer noch das, was zwischen uns ist?“
Das Blut rauschte ihr in den Adern, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Ich leugne es doch nicht“, widersprach sie und sank matt ins Kissen zurück. „Ich will mit dir zusammensein, aber ich kann dich nicht heiraten.“
Er sprang jäh auf, schlug beinahe mit dem Kopf gegen den Querbalken des Baldachins und trat ans Fenster, Zorn brodelte in ihm auf. „Dann kann ich dich nicht beschützen, Emmeline, verdammt noch mal! Ich kann dich nicht beschützen!“
Das beglückende Band der Wiedersehensfreude zerriss. Sie warf die Decken zurück, achtete nicht auf ihre Schmerzen, humpelte zu ihm und legte ihm eine Hand an den Arm. „Ich brauche deinen Schutz nicht, Talvas, ich will nur deine Liebe.“
Ihre Worte hallten in der Stille nach.
„Du hast dir von einem einzigen Mann dein Leben zerstören lassen.“ In seiner Stimme lag eine tödliche Ruhe, er stand aufrecht und starr, wie aus Stein gehauen in seiner inneren Anspannung. Hatte er ihre Worte überhaupt gehört? „Ich kann dich nicht zwingen, mich zu heiraten. Gott schütze mich davor, Madame de Lonnieres jemals meinen Willen aufzuzwingen.“ Er wandte sich so brüsk zu ihr um, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. In seinen Augen loderte ein unkontrolliertes Feuer. „Es wäre anders, wenn du mein Kind tragen würdest.“
Eisiges Entsetzen legte sich lähmend auf ihr Herz. „Willst du damit sagen … du würdest … mich zur Ehe zwingen?“ Verwirrt von ihren eigenen Worten taumelte sie nach hinten, stolperte beinahe über den Saum ihres Nachthemds. Nein, Talvas, schrie es in ihr, tu so etwas nicht!
„Wenn es nötig wäre.“ Seine kalte Entschlossenheit jagte ihr Angstschauer über den Rücken.
Sie wandte sich ab, Hoffnungslosigkeit machte ihr das Herz schwer, ein unendliches Gefühl der Einsamkeit bemächtigte sich ihrer. „Dann hoffen wir, dass es niemals dazu kommt.“
Dunkelgrüner Efeu rankte sich die hell verputzte Mauer des Kräutergartens von Hawkeshayne hinauf. Auf einem dürren Zweig in einem Busch wippte zwitschernd ein Rotkehlchen, der einzige Farbfleck im grauen winterlichen Garten. In der müden Nachmittagssonne machte Emmeline, auf Matildas Arm gestützt, einen Spaziergang durch den Garten. Ihre weichen Sohlen verursachten kaum Geräusche auf den Kieswegen entlang der frisch umgegrabenen Gemüsebeete.
Die Eintönigkeit der Tage begann an Emmelines Nerven zu zerren. Zwei ganze Wochen waren verstrichen seit Talvas Ankündigung, er wolle sich Stephens Kampf anschließen, Maud aus Sedroc zu vertreiben. Matilda hatte er strenge Anweisungen erteilt, auf Emmeline aufzupassen und ihr nicht zu gestatten, die Burgmauern bis zu seiner Rückkehr zu verlassen. Mit Emmeline hatte er kaum noch ein Wort gesprochen. Mühsam war sie aufgestanden, bedrückt und mutlos nach ihrem letzten Streit, und hatte vom Fenster aus zugesehen, wie Talvas und Guillame an der Spitze eines Trupps Soldaten, deren Schilde
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