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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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und Speere im Sonnenschein glänzten, durch das Burgtor ritten, die Pferderücken mit scharlachroten Behängen geschmückt, den Farben des Königs.
    „Ich freue mich, dass deine Wangen wieder Farbe bekommen“, bemerkte Matilda, die sich mit der jungen Frau in den letzten Tagen angefreundet hatte. Da sie gezwungenermaßen viel Zeit miteinander verbrachten, hatten die beiden einige Gemeinsamkeiten entdeckt, nicht zuletzt ihren Drang nach Unabhängigkeit. Sie hatten sich glänzend unterhalten und miteinander gescherzt. Zwei Frauen, die im Typ nicht verschiedener sein konnten: die hochgewachsene, schwarzhaarige Matilda, anmutig und graziös, daneben Emmeline, etwas fülliger, zartgliedrig und hellblond.
    „Ich genieße die frische Luft und den Wind, der mir ins Gesicht bläst“, lächelte Emmeline. Sie atmete den würzigen Geruch nach Meer und Tang tief ein, und ein sehnsüchtiges Fernweh befiel sie. „Ich fühle mich wieder völlig gesund und bei Kräften.“ Sie sprach die Worte mit solchem Nachdruck, dass Matilda stehen blieb und sie fragend ansah.
    „Du meinst …“
    „Ja, es drängt mich, die Heimreise anzutreten, heim in die Normandie.“
    Ein Schwarm Saatkrähen erhob sich aus dem kahlen Geäst einer Esche im hinteren Teil des Gartens und flog kreischend in den blauen Himmel.
    Matilda schmunzelte. „Aber, aber! Talvas wünscht, dass du auf seine Rückkehr wartest, wie du weißt. Ich nehme an, dass er dich auf deinem Schiff in die Normandie zurückbringen will.“
    „Ich finde einen anderen Schiffsführer für die Belle Saumur .Für mich gibt es in England nichts mehr zu tun.“ Emmeline bemühte sich, nicht auf die beklemmende Leere in ihrem Herzen zu achten und ihren Kummer zu verbergen.
    „Bist du dir deiner Sache wirklich sicher?“, fragte Matilda behutsam. Ihr Bruder hatte ihr Emmelines Wohlergehen mit großer Eindringlichkeit ans Herz gelegt. Während ihrer Bewusstlosigkeit hatte er nächtelang an ihrem Bett gewacht. Matilda entsann sich nicht, dass er je zuvor einer Frau so viel zärtliche Zuwendung und Fürsorge entgegengebracht hätte.
    „Er will mich heiraten.“ Emmeline seufzte und stieß mit der Schuhspitze in den Kies.
    „Oh, wie wunderbar, Emmeline!“ Matilda griff begeistert nach ihren Händen. „Aber wieso willst du dann in die Normandie zurückkehren?“
    „Weil ich seinen Antrag abgelehnt habe.“ Emmelines Stimme klang hohl.
    „Das begreife ich nicht.“ Matilda war sichtlich verwirrt.
    „Er will nicht einsehen, dass Liebe nichts mit Heirat zu tun hat. Er will mich beschützen und ist der Meinung, das könne er nur, wenn wir verheiratet sind. Ich habe in meiner unglücklichen Ehe mit Giffard sehr gelitten und mich zu lange nach Unabhängigkeit gesehnt, um meine Freiheit wieder aufzugeben. Du kannst mich gewiss verstehen, Matilda.“
    „Hmm. Wie schätzt du mein Leben an Stephens Seite ein, Emmeline? Siehst du in mir eine Gefangene, eine unterdrückte rechtlose Frau?“ Hand in Hand setzten die Freundinnen ihren Spaziergang fort.
    „Aber nein. Du bist die eigensinnigste und resoluteste Frau, die mir je begegnet ist.“ Und plötzlich musste Emmeline schmunzeln.
    „Das nehme ich als Kompliment“, lachte Matilda. „Und dennoch bin ich glücklich mit dem Mann verheiratet, den ich über alles liebe.“
    „Vielleicht hast du recht“, meinte Emmeline nachdenklich. „Ach Matilda, ich muss mit ihm reden. Ich habe mich ihm gegenüber abscheulich benommen.“ Ihr war, als werde ihr eine schwere Last von den Schultern genommen. „Wie lange es wohl noch dauern mag, bis Stephen und Talvas zurückkehren?“
    Matilda seufzte, dann lächelte sie verschmitzt und drückte Emmelines Hand. „Wer weiß? So friedlich und angenehm das Leben in dieser Burg auch sein mag, die Enge der Mauern fängt an mich zu bedrücken, und ich könnte mir denken, dir ergeht es ähnlich, hab ich recht?“ Ein leichter Wind spielte sanft mit den widerspenstigen Löckchen, die sich an ihren Wangen kringelten.
    Emmeline nickte und führte Matildas Gedankengänge weiter. „Eine Belagerung kann sich über viele Wochen oder Monate hinziehen.“ In schweigender Übereinkunft machten die Frauen kehrt und verließen eilig den Garten durch den Torbogen in der Mauer. In ihrer Hast drängten sie sich gleichzeitig durch die schmale Öffnung, traten sich dabei gegenseitig auf die Schleppen und kicherten wie zwei junge Mädchen.
    „Talvas sagte nichts von einer gemeinsamen Reise. Und ich habe ihm fest versprochen, nicht

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