Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum
über den Rücken strich.
»Tja, Raufer, das wird dich lehren, dich nicht in ausweglose Lagen zu begeben.«
Wenn das Futter nicht so gut geschmeckt hätte …
9. Anjas Kontrollbesuch
Kris gestand sich ein, dass er angefangen hatte, sich an die Anwesenheit des unwilligen Katers zu gewöhnen. Der kleine Kerl war muffig und ignorierte arrogant jede freundliche Annäherung, aber er biss und fauchte nicht mehr, fraß, was er ihm vorsetzte, sauber und bis auf den letzten Krümel auf und bewegte sich vorsichtig durch das Wohnzimmer. In die anderen Räume hatte er ihn noch nicht gelassen, aber vermutlich würde er es ihm nun erlauben müssen. Er selbst hasste nämlich geschlossene Türen.
So beobachtete er am nächsten Tag, wie Raufer sich in der Küche umsah, während er sich sein Essen richtete. Seine größte Aufmerksamkeit galt der Kühlschranktür, die er mit höchstem Interesse musterte.
»Nein, das ist nichts für dich«, beschied Kris dem Kater und machte die Tür energisch zu.
Der Blick aus grünen Augen sagte mehr als alle Worte. »Vergiss es, Kumpel.«
Beleidigt drehte Raufer ihm die Kehrseite zu. Aber um sich kompromissfähig zu zeigen, reichte Kris ihm ein Stückchen Käse zu.
Es wurde ihm aus den Fingern gerissen.
Er wollte dem Kater ein zweites Stückchen reichen, als es an der Tür klingelte.
Kris stellte das Brettchen mit dem Camembert in denKühlschrank und ging, um dem Besucher zu öffnen. Er sah sich Anja gegenüber, deren Wangen von der Kälte gerötet waren und deren braune Locken sich unter einer blauen Mütze hervorkringelten.
»Tierhaltungs-Kontrolle, Herr Grimal!«
»Ich habe den Kater pflichtgemäß bei Ihrem Vater vorgestellt – das dürfte er Ihnen ausgerichtet haben.«
»Hat er. Und jetzt würde ich gerne sehen, wie der Kater hier untergebracht ist.«
»Ich habe ihn in Ketten gelegt und lasse ihn langsam verhungern«, knurrte Kris, denn einerseits ärgerte ihn ihre Aufdringlichkeit und ihr Misstrauen, andererseits verlockte es ihn, sie ein wenig zu reizen. Anja konnte wunderbar böse mit den Augen blitzen.
»Dann könnte es sein, lieber Herr Grimal, dass ich Sie wegen Tierquälerei anzeige«, antwortete sie fröhlich lächelnd.
»Wer hat mir das Tier denn aufgedrängt, junge Frau?«
»Sie selbst haben sich seiner angenommen – Sankt Martin. Sie haben die Verantwortung für ihn übernommen. Also, lassen Sie mich jetzt rein?«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Nein, aber ein reizendes Wesen. Oh, hallo, da ist ja der tapfere Raufer.«
Und schon lag Anja auf den Knien und gab gurrende Maunzlaute von sich.
Leicht irritiert betrachtete Kris sie.
»Na, ganz und gar verhungert siehst du nicht aus, Raufer. Ein schönes Stück Käse hast du da erbeutet.«
»Käse?«, entfuhr es Kris, und er drehte sich um. Raufer, Schwanz hoch, Ohren aufgerichtet, stolz das Kinn gereckt, hing genau das Stück Camembert aus dem Maul, das er eben noch auf sein Brot hatte legen wollen.
»Wir hatten darüber gesprochen, Raufer, dass der Kühlschrank nicht zu deinem Revier gehört«, fuhr er ihn an. »Und Sie hören auf zu kichern! Ich muss die Tür nicht richtig zugemacht haben, weil Sie geklingelt haben.«
Anja biss sich gehorsam von innen auf die Backen und sah Kris hohlwangig an. Der schnaubte leise.
»Kommen Sie rein, Anja. Mein Mittagessen fällt jetzt sowieso aus. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Ja, gerne. Und – Menschen können sich auch von Butterbroten ernähren, wenn es zu einem zweiten Stück Käse nicht reicht.«
Kris führte Anja in das Wohnzimmer, wo sich Raufer nun auf seiner Decke am Fenster schmatzend über seine Beute hermachte. Er erlaubte ihr näherzutreten, fauchte aber warnend, als sie die Hand nach ihm ausstreckte.
»Sachte, Raufer. Du darfst das aufessen. Schönen Blick hast du hier. Das ist wohl der Hof, in dem du dich früher rumgetrieben hast.«
»Ganz richtig. Da unten hat Peregrina Hummel die Futterstelle eingerichtet«, erklärte Kris.
Er war mit zwei großen dampfenden Tassen Kaffee hinzugetreten und stellte sie auf den Tisch.
»Peregrina Hummel – die kenne ich vom Hörensagen. Sie hat uns schon oft geholfen, Ausreißer zu finden. Wohnt sie hier?«
»In der Wohnung unter mir«, antwortete Kris.
»Bekommt sie keinen Ärger mit den Nachbarn, wenn sie die Streuner füttert?«
»Doch, dann und wann schon. Der Hausverwalter von nebenan hat schon ein paar Mal protestiert, ein Nachbar hat behauptet, die Katzen würden den Lack seines Autos
Weitere Kostenlose Bücher