Zwei Krankenschwestern auf dem Jakobsweg
hinschauen erkennen wir, dass sich
hinter den Bäumen ein Golfplatz erstreckt. Dann ist es wohl eher ein
Sichtschutz für die Schönen und Reichen. Am Ort angekommen staunen wir - so
sehen also heute Dörfer aus. Moderne Neubaublöcke reihen sich zu unserer
rechten auf. Links der besagte Golfplatz mit dicken Autos, von fast durchweg
deutschen Herstellern, stehen davor. Ansonsten gibt es keine Zeichen von Leben.
Der Ort scheint nicht bewohnt. Die hypermoderne Ministadt gleicht einer
Geisterstadt. Wir können nur ahnen, was hier los ist. Das Dorf besteht aus zwei
Teilen, dem neuen und dem alten Dorf. Gegensätzlicher kann es nicht sein. Das
alte Dorf ist verfallen, aber wenigstens bewohnt.
Hier finden wir endlich eine Bar und weil wir heute so schlecht drauf sind,
spendieren wir uns zum Kaffee noch ein großes Eis. Vor der Bar sind ein paar
Bänke unter Bäumen aufgestellt und wir genießen unser Eis.
Auch David ist hier, ich weiß nicht, wie er das geschafft hat. Mir ist nicht
bewusst, dass er vor uns los lief. Mich beschleichen Zweifel. Hier gibt es
einen Internetzugang und David berichtet uns, seine Mutter hat ihm geschrieben,
dass sie und Davids Schwester, sie ist 16 Jahre, ihn hier am Camino besuchen
möchten. Vielleicht sogar ein Stück mit ihm wandern. David scheint darüber sehr
glücklich zu sein und er ist froh, es uns erzählen zu können. David verabschiedet
sich und wir lassen ihm einen kleinen Vorsprung. Als wir gerade aufbrechen,
kommt das Ehepaar, dem wir schon einige Tage immer mal wieder über den Weg
liefen. Zwei groß gewachsene, stattliche Personen, sehen aus wie Banker oder
Lehrer. Sie scheinen heute auch nicht ihren besten Tag zu haben, er schmeißt,
bevor er die Bank erreicht hat, seinen Rucksack auf die Erde in den Dreck. Die
Aggression ist nicht zu übersehen. Sie versucht ihn, offensichtlich peinlich
berührt, zu besänftigen. Er soll sich erst mal setzen und sie besorgt alles,
damit es dem gefrusteten Gatten wieder besser geht. Wenn die Beiden mit dem Weg
fertig sind, brauchen sie eventuell erst mal Urlaub, im schlimmsten Fall einen
Scheidungsanwalt. Wir grüßen zum Abschied vorsichtig „Buen Camino“ und pilgern
weiter. Nun wissen wir, dass es anderen viel schlechter geht, da geht’s uns
doch gleich viel besser.
In Santo Domingo erwartet uns die Kathedrale mit ihrem berühmten Hühnerwunder.
Um die Kirche zu erreichen, kämpfen wir uns durch die Vorboten der Stadt. Eine
Kartoffelfabrik liegt an unserem Weg. Na endlich mal Kartoffeln in Spanien,
wenn man bedenkt, dass die Spanier die Pflanze nach Europa gebracht haben und
wir in Spanien lediglich Pommes serviert bekommen. Da haben sich die anderen Europäer
wirklich mehr Gedanken um den leckeren Erdapfel gemacht.
Würde ich in Spanien leben, fehlte mir auf dem Speiseplan ein wichtiger
Nahrungsbestandteil. Soviel zu den Beilagen, nun zum Fleisch. Das Hühnerwunder
verfolgt mich in allen Büchern, die sich mit dem Jakobsweg befassen. Niemand,
wirklich niemand verschont den Leser mit diesem Thema. Also bin ich wirklich
gespannt was uns in der Kirche erwartet. Und da alle so neugierig auf die
eingesperrten Hühner sind, macht die Kirche auch gleich noch ein schönes
Geschäft mit dem Federvieh. 2,50€ Eintritt, dann dürfen wir das heilige Haus
betreten. Zunächst bekommen wir Kunstschätze, die so wertvoll sind, dass sie
hinter Glas geschützt werden müssen, zu sehen. Die gesammelten Werke erschlagen
uns fast, Prunk und Reichtum wurden hier für den Besucher zusammengetragen,
dabei wollten wir doch nur die Hühner sehen. Die Kathedrale ist nicht klein, so
dauert es einige Zeit, bis wir den vornehmen Käfig endlich entdecken. Das weiße
Hühnerpaar kann einem Leid tun, hier in der dunklen Kirche eingesperrt. Nun
haben wir sie gesehen und können aufgeklärt weiter ziehen. Wir holen unsere
Rucksäcke am Kircheneingang ab und folgen weiter den gelben Pfeilen, die uns
wieder aus der Stadt hinaus lotsen. Der Führer kündigt noch 2 Stunden Weg an,
deshalb planen wir bei nächster Gelegenheit noch eine Pause ein. Der Weg ist
aber so karg, kein Baum, kein Busch, immer neben der Autobahn - hier findet
sich kein “very nice Place”. Wir sind total fertig, am liebsten würden wir, wie
der Mann an der Bar, unsere Rucksäcke in den Dreck schleudern. Im letzten
Moment sehen wir in ca. 300 Metern eine Baumreihe, die unseren Weg kreuzt.
Unsere Rettung! Wir schleppen uns zu dem Punkt, den wir anvisiert haben, dort
angekommen, lassen wir wortlos das
Weitere Kostenlose Bücher