Zwei Seiten
ernst an. »Sag mir nicht, du machst das nie?«
Okay, vielleicht flirtete ich auch manchmal mit Männern, ohne was von ihnen zu wollen. Aber ich war ja auch hetero. »Doch schon, aber ich bin ja auch nicht …«
»Scarlett«, unterbrach mich Julia, »das hat damit überhaupt nichts zu tun.«
Hatte sie recht? Diese ganze Sache mit der sexuellen Orientierung verwirrte mich zunehmend. Es war doch schon kompliziert genug, dass es Männer und Frauen gab und die sich voneinander angezogen fühlten.
Julia zwinkerte mir zu und ging wieder zum Billardtisch.
Jetzt wurde die Sache unheimlich. Flirtete sie nun auch noch mit mir? Okay, was hatte sie gesagt? Flirten macht gute Laune, stärkt das Selbstvertrauen und lockert die Stimmung. Kein Problem. Alles ganz normal. Ich leerte mit einem letzten großen Schluck mein Bier und rang mir ein Lächeln ab.
* * *
»Sieht so aus, als ob ich gewonnen hätte«, stellte Julia nach wenigen Minuten strahlend fest.
»Ich bin raus«, sagte Nathalie und hielt mir ihr Queue hin. »Scarlett, du bist dran.«
Ich nickte, nahm das Queue und ging zum Tisch.
Julia hatte unterdessen die Kugeln wieder aufgebaut. Sie beugte sich über den Tisch und sagte: »Schau auf meine Hände, wie ich das Queue halte.« Sie mimte einen Stoß auf die weiße Kugel. »Auf diese Weise hast du die beste Kontrolle.«
Ich stellte mich neben Julia und imitierte sie.
Julia richtete sich auf und korrigierte meine Finger vorsichtig.
Ich drehte den Kopf. Unsere Gesichter waren jetzt ganz nah. Das machte mich total nervös. Insbesondere nach ihrem Flirten wenige Minuten zuvor.
Aber Julia schien wie immer. »Kurze Stöße«, sagte sie ruhig. »Du schiebst die Kugel nicht, sondern nutzt die Stoßenergie.«
Ich nickte und richtete mich wieder auf. Mein Blick wanderte zu Nathalie.
Sie betrachtete uns mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck.
Was wohl mit ihr los war? Ich winkte.
Sie lächelte und tat dasselbe.
Julia eröffnete die Partie. Sie versenkte zwei Kugeln und ich beobachtete fasziniert, wie schnell und präzise drei weitere Kugeln folgten.
»Du solltest um Geld spielen«, sagte ich und bekam dafür ein Lächeln. Stopp, war das jetzt wieder Geflirte? Es war dasselbe Lächeln, das sie diesem Kerl zugeworfen hatte. Oh Mann. Ich musste mich echt daran gewöhnen, nicht so verspannt zu sein, wenn Julia ihre Scherze machte.
»Übrigens, netter Arsch«, ertönte Nathalies Stimme von der Seite.
Julia rutschte ab. Das Queue streifte die weiße Kugel und kratzte über den Filz.
Ich drehte den Kopf und glotzte Nathalie an, die lachend auf dem Barhocker saß.
»Schau mich nicht so an, Scarlett. Ich wollte, dass du auch eine Chance kriegst.« Nathalie zuckte mit den Schultern. »Es hat funktioniert. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Und gelogen ist es auch nicht.«
Ich schüttelte den Kopf.
Julia ging auf Nathalie zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Daraufhin wurde meine beste Freundin puterrot und wich Julias Blick aus.
Die grinste und nahm einen Schluck Bier.
Ich musste unbedingt daran denken, Nathalie später zu fragen, was Julia ihr gesagt hatte. Jetzt konzentrierte ich mich erst mal auf meinen Stoß. Ich beugte mich nach vorne und visierte die weiße Kugel an. Ein kurzer Stoß und die grüne Kugel dahinter würde sanft in die Seitentasche gleiten. Ich zuckte zusammen, als ich Julia halb neben, halb hinter mir spürte.
Sie lehnte sich zu mir runter und schaute über meine Schulter. »Falscher Winkel. Stell dich ein bisschen mehr links.«
Mein Herz pochte wie verrückt. Ohne sie anzusehen, trat ich einen Schritt zur Seite.
Julia nickte. Anschließend ging sie halb um den Tisch herum und beugte sich erneut vor. »Triff die Kugel hier.« Sie deutete auf eine Stelle. »Ganz sanft.«
Zu meinem großen Erstaunen versenkte ich die Kugel ohne Probleme. Ich grinste Julia zufrieden an.
Daraufhin schenkte sie mir ein breites Lächeln.
Ich sprang auf und ab. »Nathalie, hast du das gesehen?«
»Ja, ich hab‘s gesehen«, sagte Nathalie mit einem Blitzen in den Augen. Sie war heute irgendwie komisch.
Ich versenkte mit Julias Anleitung eine weitere Kugel und hatte ein regelrechtes Hoch. Am Ende verlor ich das Spiel zwar, war aber trotzdem total gut drauf und nahm mir vor, zukünftig öfter Billard zu spielen.
Wir setzen uns wieder in den Hauptraum und redeten über dies und das. Die Zeit verging mit meinen Freundinnen wie im Flug.
Kurz vor ein Uhr wurde ich aber langsam müde. »Was meint ihr, sollen
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