Zwei Seiten
ich immer wieder überrascht, wie winterlich es draußen schon war. »Echt?«
Julia nickte. »Sollen wir nach dem Essen eine Schneeballschlacht im Park machen?«
Ich sah Julia erstaunt an. »Ehrlich?«
Ihr Kopf wippte auf und ab. »Warum nicht?«
Ich grinste. »Hau rein. Wir haben eine Schlacht auszufechten.«
* * *
»Attacke«, rief Julia hinter mir.
Beim Umdrehen bekam ich den ersten Schneeball ins Gesicht. »Unfair«, kreischte ich und beugte mich hastig runter, um einen eigenen Ball zu formen.
Julia rannte auf mich zu und ich ergriff die Flucht.
Mit ihren längeren Beinen würde sie mich im Nu einholen. Da half nur eine rasche Verteidigung. Ich wirbelte herum und warf meinen Schneeball.
Doch Julia schaffte es rechtzeitig, sich zu ducken. »Daneben.« Perfekte weiße Zähne kamen zum Vorschein.
Ich formte einen neuen Ball, bekam jedoch währenddessen schon den nächsten von Julia ab.
Sie kam schnell näher.
Ich warf noch einen Ball zur Verteidigung, dann wurde ich von Julia überrannt. Ich landete im Schnee und sie auf mir.
Wir lachten.
Julia drückte meine Arme runter. »Ergib dich«, sagte sie außer Atem.
Ich schnappte nach Luft und schüttelte den Kopf. »Niemals.«
Sie ließ meine Arme los und nahm eine Handvoll Schnee.
Wollte sie mich einseifen? Ohne mich. Ich wandte mich, fuchtelte wild mit den Armen und landete irgendwie auf ihr. Enthusiastisch nahm ich zwei Hände voll Schnee und rieb sie in Julias Gesicht.
»Genug! Genug!«, rief sie.
Ich bekam ihre Arme zu fassen und drückte sie runter. »Sag es.«
Julia schüttelte den Kopf.
Ich lehnte mich über sie, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Mein Herz trommelte gegen den Brustkorb. »Sag es«, wiederholte ich außer Atem und doch fast flüsternd.
»Du hast gewonnen«, hauchte Julia.
Es war, als ob ich sie in diesem Moment zum ersten Mal sehen würde. Tiefblaue Augen, die aufzublitzen schienen, kräftige und doch sanft wirkende Wangenknochen und volle Lippen, die … Was zur Hölle war hier los? Ich ließ so schnell von Julia ab, als ob ich mich verbrannt hätte. Ruckartig stand ich auf. Danach half ich Julia hoch. Kaum stand sie, zog ich meine Hand wieder weg.
Mir war schlecht. Ob ich was ausbrütete? Ja, vermutlich hatte ich etwas Fieber und deshalb so wirre Gedanken. »Es ist schon ganz dunkel. Lass uns nach Hause gehen«, murmelte ich. Am besten nahm ich zu Hause ein heißes Bad und mümmelte mich im Bett ein. Was immer sich da ankündigte, würde dann vielleicht nicht so schlimm werden.
* * *
Am Mittag des vierundzwanzigsten Dezember standen meine Mutter und ich in der Küche. Es war mal wieder Zeit, unseren Weihnachtskuchen frisch zuzubereiten.
Aber diesmal würde ich mithelfen. Motiviert holte ich einige Zutaten aus den Regalen und schlängelte mich am aufgeregt hin- und herlaufenden Popeye vorbei.
»Woher weißt du, was ich brauche?«, fragte meine Mutter und beobachtete, wie ich selbstsicher alles bereitstellte.
»Julia und ich haben dir jetzt schon mehrfach gesagt, dass sie mir kochen beibringt.« Hörte Mama mir überhaupt zu, wenn ich was erzählte? »Und was denkst du? Backen natürlich auch. Ich sage nicht, ich bin so gut wie sie, aber ich glaube, meine Fähigkeiten in der Küche sind mittlerweile ganz passabel.«
Als wollte er zustimmen, kläffte Popeye, bevor er zu Mama wanderte. Vermutlich um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen, da ich ja gerade mit den Zutaten hantierte.
Meine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich skeptisch.
Ich grinste. »Außerdem liegt auf der Arbeitsplatte die Zutatenliste.«
Mama setzte sich an den Esstisch und begann, Popeye zu streicheln. »Du glaubst also, du kannst den Kuchen alleine backen?«
Ich nickte.
»Dann mach mal.«
»Danke fürs Vertrauen«, sagte ich lachend und machte mich an die Arbeit.
»Julia hat dir eine Menge beigebracht, was?«
Ich blickte auf und nickte.
»Sie ist heute bei ihrer Familie?«
»Ja. Oliver ist Gott sei Dank mit seiner neuen Flamme Regina im Tunesienurlaub. Wer weiß, was sonst heute da los gewesen wäre.« Ich lächelte. »Und morgen bin ich bei Julias Familie zum Essen eingeladen.« Beim Umdrehen, um das Handrührgerät vom Küchentisch zu nehmen, sah ich zwei hochgezogene Augenbrauen.
»Zu einem Familienessen?«
»Ja, zum Familienessen.« Ich legte den Mixer auf der Arbeitsplatte neben der Schüssel ab. »Es war eine nette Geste, mich einzuladen, also habe ich zugesagt.«
Meine Mutter
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