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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Grey
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geschickt, um bei Onkel Friedhelm als Sekretärin in seinem Betrieb zu arbeiten.«
    Was konnte denn an diesem Mann so falsch gewesen sein? Meine Großeltern mussten doch gesehen haben, dass ihre Tochter glücklich war. Und wie hatte Mama meinen Vater kennengelernt? »Hast du Papa bei deiner Arbeit kennengelernt?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Nach einem Jahr durfte ich wieder zurückkehren. Aber alles hatte sich verändert.« Ihre Lippen zitterten. Sie schluckte und schaute mich mit traurigen Augen an. »Wir waren beide immer noch ineinander verliebt. Doch es spielte keine Rolle mehr.«
    »Warum?« Ich hatte auf einmal ein richtig ungutes Gefühl.
    Mama biss sich auf die Unterlippe. »Der Name meiner großen Liebe war Maria.«
    Maria? Das Echo dieses Namens hallte in meinem Verstand und hinterließ vollkommene Leere.
    »Ihre Eltern hatten sie in eine Ehe mit einem Mann aus der Nachbarschaft gezwungen, und meine Eltern, deine Großeltern, sagten, sie würden dasselbe mit mir tun, wenn ich nicht selbst bald einen Mann für mich finden würde. Es waren damals andere Zeiten. Und so begann ich, mit deinem Vater auszugehen. Er ahnte nichts von all dem. Bis …«
    Gott, noch mehr? Was jetzt?
    »Ich und Maria sahen uns ein letztes Mal. Sie hatte einige Tage vorher von ihrer …« Meine Mutter senkte den Blick. Nach einigen Momenten schaute sie wieder auf. »Sie war schwanger. Maria war so unglücklich. Immer wieder sagte sie mir, wie sehr sie mich lieben würde und dass sie das alles nicht aushalten könne. Wir … verbrachten die Nacht miteinander. Meine Eltern waren über das Wochenende nicht da, und Maria hatte ihrem Mann gesagt, sie würde bei einer Freundin übernachten.« Mama schluckte. »Womit niemand rechnen konnte, war, … meine Eltern kamen früher wieder nach Hause. Und als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, kam dein Vater zum selben Zeitpunkt vorbei, um mich zu überraschen. Wir hörten sie nicht. Wir waren«, Mama wich meinem Blick aus, »im Bett. Die Zimmertür ging auf und …« Tränen glänzten in ihren Augen, als sie mich ansah. »Dein Vater fand uns. Durch sein Geschrei kamen meine Eltern ins Zimmer gestürmt.« Mamas Schluchzen durchdrang die plötzliche Stille.
    Was sollte ich jetzt tun?
    Was für eine Frage. Ich rückte näher und umarmte sie.
    Popeye tauchte auf und schleckte an einer von Mamas Händen.
    »Maria zog sich an und verschwand hastig. Es war das letzte Mal, dass ich sie sah.« Meine Mutter schaute mich mit aufgequollenen roten Augen an. »Sie warf sich am selben Abend vor einen Zug.«
    Oh Gott.
    »Unsere Eltern sagten, es sei alles meine Schuld. Es sei falsch gewesen und Maria habe das gewusst. Deshalb habe sie dem Unrecht ein Ende gesetzt. Sie sagten, es sei für mich noch nicht zu spät. Ich müsse nur diesen kranken Ideen abschwören, dann würde alles gut werden. Einen Monat später fand die Hochzeit mit deinem Vater statt. Kurz darauf wurde ich schwanger und bekam dich.«
    So viele Gedanken rasten mir durch den Kopf. So viele Fragen, deren Antworten ich wissen wollte, wissen musste. Doch der Eierwecker klingelte. Wie betäubt stand ich auf und taumelte in die Küche.
    Zurück im Wohnzimmer sah ich meine Mutter wie angewurzelt auf der Couch sitzen. Ihr liefen stumme Tränen übers Gesicht. Ich nahm wieder neben ihr Platz. »Mama?«
    Sie hob den Kopf, mied jedoch meinen Blick.
    »Hast du Papa jemals geliebt?«
    Meine Mutter fiel mir weinend in die Arme.
    Ich zuckte zusammen, hielt sie jedoch fest. Meine Frage war beantwortet.
    Nach einer Weile hörte Mama auf zu weinen und ich löste mich etwas von ihr. Mein Herz raste wie verrückt und der riesengroße Kloß im Hals machte es mir schwer zu sprechen. »Bist du … heißt das, du bist eigentlich lesbisch?«
    »Ich weiß es nicht.« Mama schloss kurz die Augen. »Aber ich weiß, dass ich für viele Jahre wünschte, mit Maria an diesem Tag gestorben zu sein. Sie war mein Leben. Als sie vor … vor den Zug sprang, starb auch ein Teil von mir.«
    Ich weinte mittlerweile auch. »Oh, Mama …«
    Wir hielten einander für eine ganze Weile. Anschließend schnäuzte sich meine Mutter und ich folgte ihrem Beispiel.
    Irgendwann gingen wir in die Küche, um den Kuchen zu probieren.
    Ich war froh, etwas so Banales zu tun. Der Kuchen war noch heiß, doch ich schnitt trotzdem schon ein Stück ab und gab es meiner Mutter.
    Mamas Hand zitterte, als sie mit einer Gabel ein Stück abtrennte und mit skeptischem Blick probierte. Dann

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