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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Grey
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Ich wusste es. Ihr seid krank und abartig. Denkt ihr eigentlich, ich lass mir alles gefallen?«
    Noch während er sprach, sprang Julia aus dem Bett. Einen Moment lang starrte sie ihn wortlos an. Tränen zeichneten sich in ihren Augen ab. Sie schaute kurz zu mir und rannte dann an Oliver vorbei aus dem Zimmer.
    Für einen Augenblick war ich wie versteinert. Das konnte doch alles nicht sein. Wie war Oliver hier reingekommen? Wo waren wir hier eigentlich? Ich schüttelte die Gedanken ab und rannte hinter Julia her.
    Aber sie war viel schneller. Sie rannte aus der Wohnung und die Straße runter. Immer weiter und weiter. Egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte sie nicht einholen. Immer wieder rief ich Julias Namen, doch ihre Umrisse verschwammen in den Schatten der Nacht.
    Als mir klar wurde, in welche Richtung sie rannte, erfasste mich Panik. Bitte nicht!
    Plötzlich stand ich am Rande des Gleisbettes und Julia sah mich an, ihr Gesicht voller Schmerz und Reue. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. Anschließend blickte sie nach vorne in das Licht des heranrasenden Zuges.
    »Nein!« Mein Oberkörper schnellte nach oben. Ich war hellwach. Mein Herz pochte wie verrückt und ich bekam keine Luft. Ganz ruhig. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum.
    Durch das ins Zimmer fallende Mondlicht erkannte ich, wie meine Hände zitterten. Ich schloss die Augen, öffnete sie aber sofort wieder, als ich Julias Gesichtsausdruck auf den Bahngleisen wieder vor mir sah. Es war kindisch und vollkommen unlogisch, aber ich musste sehen, dass es Julia gut ging. Jetzt. Ich stand auf und schlich in ihr Zimmer.
    Wie zu erwarten war, schlief sie friedlich.
    Ich ging neben dem Bett auf die Knie. Von der Straße her schien etwas Licht herein, und ich konnte Julias entspanntes Gesicht betrachten. Ich strich ihr vorsichtig eine Haarsträhne hinters Ohr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Danach lehnte ich mich zurück und betrachtete jeden einzelnen Teil ihres Gesichtes. Sie war so wunderschön.
    Mit dem Zeigefinger strich ich über Julias Augenbrauen und danach ganz langsam über ihre Lippen. Mein Körper nahm ein Eigenleben an: Ich lehnte mich nach vorne und gab ihr einen ganz sanften Kuss auf den Mund. Julias Lippen waren so weich und warm. Wie in meinem Traum. Es raubte mir den Atem. Mein ganzer Körper prickelte. Irgendwann lehnte ich mich wieder zurück.
    Julia atmete tief und gleichmäßig.
    Ich presste die Hand gegen meinen Mund. Oh Gott, was hatte ich getan? Wie hatte ich das bloß tun können? Ich … ich war nicht so. Obwohl ich nach Luft schnappte, bekam ich nicht genug Sauerstoff. Alles drehte sich. Ich musste hier weg. Immer noch auf Julias Mund starrend, sprang ich auf. Ich verlor das Gleichgewicht und stieß mit dem Knie gegen Julias Nachttisch. »Autsch, verdammt«. So ein Mist. Wenn sie der Krach mit dem Nachttisch nicht aufgeweckt hatte, mein Fluchen bestimmt.
    Julias Augenlider klappten auf. »Scarlett?« Ihre verschlafene Stimme klang verwirrt und ungläubig.
    »Entschuldige, ich … ich …«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich h… h… hatte einen Albtraum«, stotterte ich und tapste rückwärts Richtung Tür.
    Julia rutschte zur Seite und hob die Bettdecke an. »Komm her.«
    »Ich weiß nicht, ob das eine so gute Id…«
    »Scarlett, komm ins Bett, mir wird kalt.«
    Mist! Ich wollte weg und nicht näher bei Julia sein. Und wenn ich mich einfach umdrehte und das Zimmer verließ? Nein, Julia würde mir sicher folgen, weil sie sich sorgte. Ich biss mir auf die Unterlippe. Bis sie eingeschlafen war, konnte ich ja hierbleiben. Ich trat aufs Bett zu. Jeder Schritt fühlte sich an, als ob ich Blei an den Füßen hätte. Mein Körper versteifte sich, obwohl ich mich so weit wie möglich von Julia entfernt hinlegte. Das Laken war warm, wo sie bis eben gelegen hatte.
    Julia deckte uns zu und kam näher, bis wir einander seitlich berührten. Da sie lediglich eine Decke hatte, gab es dazu auch keine Alternative.
    Mein Atem stockte. Ich war in der Falle.
    »Willst du mir von deinem Albtraum erzählen?«
    Stumm schüttelte ich den Kopf. Ich traute meiner Stimme nicht. Außerdem … was hätte ich denn sagen sollen? Ach, wir haben rumgemacht, Oliver kam und du hast dich umgebracht?
    »Es war nur ein Traum«, murmelte Julia. »Alles ist gut. Versuch jetzt zu schlafen. Ich bin hier.«
    Für ein paar Minuten starrte ich an die Decke und versuchte erfolglos, mich zu entspannen.
    Dann rutschte Julia irgendwann im Halbschlaf noch etwas näher.

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