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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Grey
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Jetzt lag sie fast auf mir. Na ja, fast.
    Mein Herz trommelte gegen meinen Brustkorb. »Ähm … Julia?«
    »Mmh.«
    So würde ich hier sicher nicht mehr wegkommen. »Du bist etwas, äh, nah.« Normalerweise hätte ich die Wärme von Julias Körper und ihre Nähe genossen. Aber jetzt wollte ich bloß weg.
    Julia blinzelte ein paar Mal. »Oh. Entschuldige«, sagte sie und rückte von mir ab.
    Es schien auf einmal viel kälter unter der Decke.
    Julia räusperte sich. »Ist es okay für dich, dass wir uns das Bett teilen?«
    Mein Blick landete auf Julia, die mich ernst ansah. »Klar. Sicher, mir geht‘s gut.«
    Julia nickte. »Okay.« Sie drehte sich weg, rutschte aber wieder näher, damit wir die Decke teilen konnten. Dabei berührte ihr Rücken meine Vorderseite.
    Ich widerstand nur schwer der Versuchung, den Arm um ihre Taille zu legen. Das war jetzt wirklich nicht angebracht. Meine Gedanken rasten. Wie hatte ich Julia bloß küssen können? Der Kuss an sich war ja schon schlimm genug. Aber ich hatte es ohne Julias Erlaubnis getan. Sogar ohne dass sie es gemerkt hatte. Gott sei Dank war sie nicht aufgewacht. So etwas durfte nie wieder passieren.
    Allmählich beruhigte ich mich und begann, über das Geschehene nachzudenken. Der Traum … es war wie bei meiner Mutter. Genau, mein Verstand nahm die Ereignisse und meine Gefühle bezüglich Mamas Geheimnis und projizierte sie auf Julia. Ja, so musste es sein. Meine Mutter hatte ihr ganzes Leben eine Lüge gelebt. Julia sagte mal, man würde eine Lüge leben, wenn man seinen Gefühlen nicht folgen würde. Damals verstand ich nicht, was sie meinte. Doch jetzt, bei meiner Mutter, ergab alles Sinn. Sie hatte sich von ihren wahren Gefühlen abgewandt und eine Lüge gelebt.
    So viele Dinge gingen mir durch den Kopf. Erinnerungen an meine Kindheit, Dinge, die meine Eltern zu mir sagten, oder wie sie sich, insbesondere im Umgang miteinander, verhielten. Mein Vater liebte meine Mutter, dessen war ich mir sicher. Er konnte es nie zeigen, aber ich wusste es immer. Vermutlich empfand Mama auch etwas für ihn, aber romantische Liebe war es sicher nicht. Nach all dem, was ich jetzt wusste, wäre es nicht mal verwunderlich gewesen, wenn sie ihn gehasst hätte. Aber ich glaubte nicht, dass sie das tat. Vielmehr hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben. Wie ertrug Mama das bloß all die Jahre?
    Ich würde sie zukünftig öfter besuchen. Bisher hatte ich es nie so gesehen, aber die Wahrheit war: Meine Mutter brauchte mich. Ich schloss die Augen und entspannte mich in Julias Nähe. Wie verwirrend und aufwühlend mein Leben auch war, Julia war immer da für mich. Sie gab mir Halt. Ich würde unsere Freundschaft nie wieder durch so etwas Unsinniges wie die Projektion irgendwelcher Gefühle in Gefahr bringen.
    * * *
    »Hallo, Scarlett. Schön, dass Sie kommen konnten.«
    Ich lächelte schüchtern, während mich Frau Liebknecht umarmte. Was zur Hölle war hier los? Als ich mit Oliver zusammen war, hatten mich seine Eltern nicht umarmt.
    Danach schüttelte Herr Liebknecht mir die Hand und schenkte mir ein Hundert-Watt-Lächeln.
    Hatte ich was verpasst? Ich sah Hilfe suchend zu Julia, doch die wich meinem Blick aus.
    Kaum waren wir im Wohnzimmer, setzte Julia sich neben mich ans eine Ende der langen Couch.
    Julias Vater brachte uns was zu trinken und nahm am anderen Ende Platz.
    Warum schaute er mich so komisch an? Ob ich Julias Mutter anbieten sollte, in der Küche zu helfen? Guter Plan.
    Doch Julia kam mir zuvor. »Mama braucht sicher Hilfe mit dem Essen. Bin gleich wieder da.«
    Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Julia war verschwunden, bevor ich was sagen konnte.
    »So …«, sagte Herr Liebknecht.
    Ich schluckte.
    »Ich möchte Ihnen danken.«
    Meine Augenbrauen schossen nach oben. »Danken? Wofür?«
    »Julia schien noch nie so glücklich zu sein wie in letzter Zeit. Sie tun ihr gut. Und obwohl ich und meine Frau erst skeptisch waren, ob wir für unsere Tochter jemanden möchten, der vom Bruder zur Schwester wechselt, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es egal ist, wie es dazu kam, solange Julia jetzt glücklich ist.«
    Mein Mund klappte auf. Was für ein Bild hatten die von mir? »Herr Liebkn…«
    »Scarlett, Sie scheinen eine sehr nette junge Frau zu sein. Ich bin mir sicher, Sie würden Julia nicht willentlich wehtun, aber ich bitte Sie trotzdem: Behandeln Sie meine Tochter gut. Sie verdient nur das Beste.«
    »Wir sind in diesem Punkt einer Meinung«, sagte ich. »Sie

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