Zwei sind eine zu viel
schnell. Alles drehte sich. Doch bevor sie auch nur denken konnte, gab er ihr einen Kuss – direkt auf den Mund. Es fühlte sich nass, schlabberig und falsch an. Sie stand da, wie zur Salzsäule erstarrt. Der Kuss war überflüssig und anmaßend und sie wusste, dass sie nicht geküsst werden wollte. Nicht von ihm. Kraftvoll schob sie Jörn zurück. „Ich muss gehen.“
Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen, ein ungutes Gefühl im Bauch.
Sie hatte Lucy gesagt, dass sie für diesen Abend genug hatte und gehen würde. Sie trat auf die Straße. Der Boden unter ihren Füssen schwankte und sie war hundemüde. Jörns Gequatsche und seine Anmachversuche hatte n sie geschlaucht. Wie konnte er sie einfach küssen? Es schüttelte sie immer noch, wenn sie an das schaurige Gefühl zurückdachte.
Die frische Luft tat ihr gut und sie atmete ein paar Mal tief durch. Sofort ließ der Schwindel nach. Lucy sollte sich beeilen, sonst wäre ihr Nachtexpress bald futsch.
Ein Porsche Cayenne fuhr vor den Eingang des Central Inn . Ein Angestel l ter stieg aus und wartete. In dem Moment kam Simon aus der Eingangstür, und ihr wurde warm. Hatte er wirklich diese Wirkung auf sie oder kam das vom Alkohol? Er sah sie nicht und ging zu dem Mann, der den Porsche g e fahren hatte und nun die Wagenschlüssel in der Hand hielt.
„ Bitte schön, Herr Bogener.“
Der Mann vom Parkservice reichte ihm die Schlüssel und Simon steckte ihm ein Trinkgeld zu. Er ließ den Porsche röhren, nachdem er eingestiegen war, und brauste davon.
„ Oh, bitte schön Herr Bogener, natürlich Herr Bogener.“ Sie sprach mit sich selbst und äffte den Angestellten des Central Inn nach. So ein eingebild e ter Fatzke. Wahrscheinlich hatte er dem Typ wieder einen Fünfziger zug e steckt. Sie dachte an den silberfarbenen Porsche. Nettes Spielzeug. Sagte man nicht, dass der Unterschied zwischen echten Männern und kleinen Kindern nur im Preis für ihre Spielsachen liegt?
Sieben
Lucy war nervös. Heute Morgen, als sie die ersten Sportler ins Fitnessstudio gelassen hatte, hatte jemand vom Rodenheimer-Tagesblatt angerufen, um einen Termin mit ihr zu vereinbaren. Sie hatte total vergessen, dass Simon Bogener sie letzte Woche um einen Beitrag für den Gesundheitsteil gebeten hatte. Ein Journalist sollte sich heute um 17:00 Uhr um sie kümmern. Sie sol l te sich ganz locker zeigen und eventuell für ein Foto an einem Trainingsgerät bereithalten.
Der Typ hatte sich die schlechteste Zeit ausgesucht. Es herrschte Hochb e trieb, als er endlich um 17:21 Uhr durch die Tür trat. Lucy bereute es schon, einem Interview zugestimmt zu haben.
Herr Tullmann war jung, zu spät und hatte wenig Geduld mit ihr. Schon nach der dritten Frage hatte sie keine Lust mehr. Sie konnte sich kaum ko n zentrieren, weil ständig irgendein Sportler ein neues Problem mit der Bedi e nung der Geräte hatte. Als sie zum dritten Mal aufstand, weil nun auch noch der Fernseher ausgefallen war, platzte Tullmann der Kragen.
„ Es wäre mir schon recht, wenn Sie sich jetzt auf das Interview konzentri e ren könnten, damit wir endlich fertig werden, Frau Jakobsen. Ich bin schlie ß lich nicht zum Spaß hier.“ Tullmann war aufgestanden und ihr gegenüberg e treten.
„ Wie bitte?“ Hatte der sie noch alle? Er wollte schließlich etwas von ihr und nicht umgekehrt.
„ Sie wollen doch auf unsere Gesundheitsseite, dann setzen Sie sich gefä l ligst hin und beantworten die Fragen. Dann sind Sie mich in zwanzig Min u ten wieder los. Ich hab schließlich auch meinen Feierabend.“
Ihr fiel die Kinnlade herunter. Was für ein ungehobelter Typ. Sie wollte ihm die Meinung geigen, aber dazu kam es nicht mehr.
Sie hörte, wie sich im Hintergrund jemand räusperte. Tullmann hatte es noch nicht bemerkt, deshalb räusperte sich Simon noch mal. Er stand mit verschränkten Armen hinter seinem Angestellten. Und sah aus , als würde er gleich explodieren. Eine Vene pulsierte an seinem Hals und er hatte die A u genbrauen wie dunkle Gewitterwolken zusammengezogen. Das konnte int e ressant werden.
„ Herr Tullmann.“
Seine Stimme war leise und hatte etwas Beängstigendes an sich. Das fand Tullman wohl auch, denn er drehte sich mit so einer Geschwindigkeit um, dass sein Stift im hohen Bogen durch den Raum flog.
„ Oh …“
Pause. Er brauchte einen Moment, um sich zu überlegen, was er sagen sol l te. „Herr Bogener, ich wusste gar nicht, dass Sie hier trainieren.“
Simon strahlte das Selbstbewusstsein
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