Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
es auf meinen Korb abgesehen.«
Meredith stand vor ihm, beide Arme um den Henkel eines großen Weidenkorbs geschlungen. Ein paar Hefewecken lugten unter einem bedruckten Baumwolltuch hervor. Unwillkürlich knurrte Rhys’ Magen vor Hunger.
Sein ganzer Körper meldete sich vor ungestilltem Hunger.
»Sie sind zurück«, stellte Meredith fest. »Dachte, vielleicht sind Sie bereits aufgebrochen.«
»War ich auch. Ich bin noch einmal zurückgekommen.«
»Ist mir schleierhaft, wie der Gasthof zu seinem Namen gekommen ist.« Sie blickte zu den Hunden, die eben seine Stiefelquasten beschnüffelten. »Maddox hielt nie mehr als zwei Hunde. Wenn er betrunken war, erzählte er durchreisenden Gästen, die sich im Schankraum mit Aufschneidereien brüsteten, der dritte Hund wäre in der Pastete gelandet.« Sie bedachte ihn mit einem flüchtigen Blick, ehe sie in den Stall hineinrief: »Vater, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du diese Arbeit Darryl überlassen sollst. Du darfst dein Herz nicht überanstrengen.«
»Ich striegle gerade den feinsten Wallach in ganz Devonshire. Das ist reines Vergnügen und wahrhaftig keine Anstrengung. Im Übrigen ist Darryl losgezogen, um frisches Wasser zu holen.«
Rhys hörte, wie sich ein missmutiges Seufzen über ihre Lippen stahl. Ihre Brauen krausten sich vor Besorgnis. »Vater, du darfst nicht …«
Rhys legte eine Hand auf ihre Schulter und zog sie vom Scheunentor weg. »Nicht«, sagte er leise. »Sagen Sie einem Mann niemals, was er nicht tun darf. Er wird letztlich umso entschlossener sein, Sie Lügen zu strafen.«
Sie schien mit sich zu hadern, wie sie auf seinen Einwand reagieren sollte. Empört über die Einmischung grub sich eine tiefe Falte zwischen ihre schönen Brauen, und eine ärgerliche Röte färbte ihre Wangen. Um ihre Mundwinkel zuckte es indes verräterisch, als wollte sie gleich anfangen zu weinen, und ihre Augen …
Ihre Augen waren schlichtweg wunderschön. Sie machten ihn alles vergessen, raubten ihm den letzten klaren Gedanken. Wäre der gefüllte Brotkorb nicht zwischen ihnen gewesen, hätte er sie spontan in seine Arme geschlossen.
Sie in seine Arme schließen, von wegen! Was für eine Idee! Was bewog ihn zu derartigen Hirngespinsten? Meredith Maddox war eine schöne Frau, und er mochte auch nicht abstreiten, dass er ihren Körper mehr begehrte als seine friedliche Nachtruhe. Jeder Mann mit Augen im Kopf würde das Gleiche empfinden. Indes war es mehr als bloße Lust. Er hatte bislang nie das Verlangen gehabt, eine Frau nur in die Arme zu schließen und es dabei zu belassen. Letzte Nacht hatte er den drängenden Wunsch verspürt, sie zu küssen, dabei machte er sich gar nicht viel aus Küssen. Dergleichen schmeckte nach Romantik und Naivität und all jenen Dingen, die ihm nichts bedeuteten. Seine letzten Begegnungen mit Frauen hatten eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit seinen Kämpfen aufgewiesen – impulsiv, rücksichtslos und nie sonderlich befriedigend.
Bei Meredith verhielt es sich völlig anders. Diese starke selbstbewusste Frau hatte eine sanfte, zärtliche Saite bei ihm berührt. Er war für ihre Lebenssituation verantwortlich. Und nicht zuletzt auch für den Zustand, in dem sich das Dorf befand. Es war seine Schuld, dass es kaum hell war und sie bereits einige Stunden schwer gearbeitet hatte. Seine Schuld, dass sie sich über Tag um einen behinderten Vater zu kümmern hatte und am Abend um eine Horde Trunkenbolde. Jeder wacklige Schritt, den ihr Vater tat, jede winzige Schwiele an ihrer Hand, jeder Tropfen Blut auf ihrem blütenweißen Tischtuch … es war alles seine Schuld.
»Letztes Jahr ist ein Doktor durch unser Dorf gekommen«, erzählte sie leise, ihr Blick war flattrig und auf das Backwerk gesenkt. »Er untersuchte Vater, dafür bekam er freie Unterkunft und Logis. Er hat ein schwaches Herz, erklärte der Arzt. Wenn er sich nicht schont, dann …«
Rhys drückte sanft ihre Schulter. »Ich kenne Ihren Vater fast so lange wie Sie, Merry. Die Reitkunst liegt ihm im Blut. Es ist sein Leben. Er würde eher sterben, als sich zu schonen.«
»Ich weiß, ich weiß das, aber …« Sie blickte zu ihm hoch und zuckte mit einer Schulter, als würde er sie auch ohne Worte verstehen.
Und das tat er. Mit einem Mal verstand Rhys alles . Er begriff, weshalb er die vergangenen vierzehn Jahre überlebt hatte und schließlich wieder an diesen Ort zurückgekehrt war. Begriff, warum er ihn jetzt nicht verlassen konnte. Weil er für all die vergeudeten
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