Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
gleichsam versehentlich, denn sie setzte eilig wieder eine ernste Miene auf.
Kaum dass Meredith die Reisenden bedient hatte, kam Darryl Tewkes wie ein Aasgeier heruntergestürzt. »Gedenken die werten Herrschaften, länger in der Gegend zu verweilen?« Er zog sich einen Schemel an ihren Tisch und setzte sich neben die Damen. »Wir haben hier in Buckleigh-in-the-Moor eine Vielzahl eindrucksvoller Sehenswürdigkeiten zu bieten. Es wäre mir eine Freude, Sie morgen überall herumzuführen.«
»Sehenswürdigkeiten?«, fragte der Mann zwischen zwei Bissen Fleisch. »Was denn für Sehenswürdigkeiten?«
»Nun, es ist eine geheimnisvolle Reise durch die Zeit, Sie werden sehen.«
Rhys ertränkte sein Stöhnen mit einem großen Schluck Ale. Er lauschte Darryls Ausführungen, die ihm mittlerweile bekannt waren: die Besichtigung der Zinngruben, Schluchten, Steinkreuze, Felsentore …
»Und das Beste von allem«, der aufschneiderische Jugendliche senkte die Stimme, »sind die verhexten Ruinen von Nethermoor Hall.«
»Verhext?«, sagten die Damen wie aus einem Munde. Sie sahen einander an, auf beiden Gesichtern lag der gleiche Ausdruck entsetzten Entzückens.
Sie mussten Schwestern sein.
»Ganz recht, das verhexte Haus Ashworth«, fuhr Darryl in einem vertraulichen Flüsterton fort.
Rhys räusperte sich und sprang so impulsiv auf, dass die Stuhlbeine geräuschvoll über die Bodenfliesen schrammten.
Darryl erstarrte. Die beiden jungen Damen wurden leichenblass, sodass sie selber Gespenstern ähnelten. Schließlich hob Darryl den Kopf, sandte Rhys einen entschuldigenden Blick und zwinkerte ihm zu, als ersuchte er ihn um Erlaubnis fortzufahren.
Kopfschüttelnd trank Rhys sein Bier aus und entfernte sich, den Nebentisch keines weiteren Blickes würdigend. Sollte Darryl Tewkes ruhig weiter seine Spukgeschichten verbreiten, damit war ohnehin bald Schluss. Nicht mehr lange und der Name Ashworth würde in diesem Dorf eine gänzlich andere Bedeutung bekommen. Dann wäre Nethermoor Hall keine heimgesuchte Ruine mehr oder eine makabre Ausflugsattraktion für Durchreisende.
Sein Blick streifte Meredith, die am Tresen stand. Sie lächelte und scherzte mit einem gichtgebeugten alten Mann, derweil sie ihm einen Gin einschenkte. Einzelne Strähnen hatten sich aus ihrer schweren Flechte gelöst, und die ungebändigten Ringellöckchen wippten ihr vorwitzig in die Schläfen, als sie sich nach einem Glas bückte und sich streckte, um die Flasche wieder ins Regal zu stellen.
Gott, es war eine Freude, sie anzuschauen. Für einen Mann, der stets vor dem Gedanken an Ehebande zurückgeschreckt war, hatte er sich wahrlich schnell mit der Vorstellung angefreundet, sie zu heiraten. Das bewies ihm mehr als alles andere, dass dieser Weg sein Schicksal war und Meredith seine Bestimmung.
Während er den Blick auf die dunklen Locken heftete, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, juckte es ihm in den Fingern, ihr Haar zu streicheln. Das hatte er noch niemals zuvor bei einer Frau gemacht. Mag sein, dass er zuweilen die langen Strähnen einer Dirne gespürt hatte, die seine nackte Haut kitzelten, dennoch hatte es ihn nie gereizt, sie zärtlich zu berühren.
Bei Meredith hingegen sehnte er sich danach, sie überall zu berühren. Er wollte ihre Schläfen mit seinen Fingerknöcheln streicheln – seine schwieligen Fingerspitzen waren ihm dafür viel zu rau. Er wollte seine Finger in jener Haarpracht versenken, sein Gesicht in der duftigen Fülle vergraben. Am Samstagmorgen früh aufwachen, einzig um stundenlang neben ihr zu liegen und jede einzelne Strähne zu zählen. Ein Mann konnte das bei seiner Gemahlin tun, oder etwa nicht? Ausgestreckt auf dem Laken dürfte er ihren Kopf an seine Brust schmiegen und ihre Haare streicheln – lediglich zum reinen Vergnügen.
Allerdings musste er sein Hemd anbehalten.
Im Stillen verwünschte er sich für jenen Lapsus. Was hatte er sich dabei gedacht, ihr seinen nackten Körper zu enthüllen, all die Narben, die er sich über die Jahre eingehandelt hatte? Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie ihn bat, ein Hemd überzuziehen, hatte Bände gesprochen. Sie hatte gewiss Abscheu empfunden. Das bewiesen ihm die verstohlenen, bestürzten Blicke, die sie ihm fortwährend zuwarf.
Hinter dem Tresen stellte Meredith vier Gläser zum Füllen in einer Reihe auf. Rhys beschloss, sich zu ihr an die Theke zu gesellen, um heute Abend einen besseren Eindruck zu hinterlassen.
»Vergessen Sie’s.«
Gideon Myles trat vor ihn
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