Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
irgendwann wieder bei mir aushelfen will.«
»Wann kommt die Postkutsche das nächste Mal durch den Ort?«
»Morgen.«
»Darf ich Sie um ein paar Bogen Papier und Tinte bitten?«
Statt einer Antwort zuckte sie lediglich mit den Achseln und lief los, um die mit Wein gefüllten Gläser zu servieren. Wenige Minuten später lagen jedoch zwei Blatt schweres, cremefarbiges Papier vor ihm auf der Theke, daneben ein Federhalter und ein kleines Tintenfass.
»Wem gedenken Sie zu schreiben?« Ihre Ellbogen auf den Tresen gestützt, neigte sie sich zu ihm vor. »Einem Freund?«
»Nicht direkt.« Es lag durchaus im Bereich des Vorstellbaren, dass Julian Bellamy eher das Gegenteil von einem Freund war.
Neben Rhys und dem Duke of Morland war Bellamy einer der drei noch lebenden Mitglieder des Stud Clubs. Er war überaus eng mit Leo befreundet gewesen und allem Anschein nach tief verzweifelt über dessen tragischen Tod. Seit dem Mord war Bellamy wie besessen von dem Gedanken, Leos Mörder zu stellen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
In den vergangenen Wochen war jedoch eine neue Zeugin aufgetaucht. Wenn man der Dirne, die angeblich Augenzeugin des Mordes an Leo geworden war, Glauben schenken durfte, dann war Bellamy unter Umständen sogar an der Tat beteiligt gewesen.
Rhys hätte es vorgezogen, Morland darum zu ersuchen, ihm sein persönliches Hab und Gut nach Devonshire zu schicken. Sie hatten zwar als Schüler des Öfteren die Fäuste sprechen lassen, aber inzwischen rechnete er den Adligen gewissermaßen zu seinen Freunden. Da der Herzog aber derzeit auf seinem Gut in Cambridgeshire weilte, um dort die Flitterwochen zu verbringen, blieb Rhys keine andere Wahl, als an Bellamy zu schreiben. Ob nun des Mordes verdächtig oder nicht, er kannte sonst niemanden in London, den er um diesen Gefallen hätte bitten können.
Er schrieb langsam und mit Bedacht; mit seinen steifen Fingern musste er ohnehin achtgeben, dass seine Schrift auch gut lesbar war. Nach einer halben Seite legte er die Feder beiseite und schüttelte seine Hand aus.
»Warum versuchen Sie es nicht mal mit Ihrer Linken?«
Er blickte auf und zu Meredith, die hinter dem Tresen stand.
Sie deutete mit einem Kopfnicken auf seine versehrte rechte Hand. »Wieso schreiben Sie mit rechts? Zumal Sie doch ohnehin Linkshänder sind.«
Woher wusste sie das? Es stimmte, als Junge hatte Rhys zum Schreiben die linke Hand vorgezogen und sich jedes Mal eine Tracht Prügel eingehandelt, wenn er dabei ertappt worden war. Folglich hatte er die Rechte benutzt und wegen seiner unleserlichen Schrift Hiebe bezogen. Deshalb hatte er heimlich geübt, endlose Stunden mit Papier und Feder zugebracht, bis sich sein hässliches Gekritzel in eine leidlich schön geschwungene Schrift verwandelte.
Daraufhin war er schlicht und ergreifend für etwas anderes verprügelt worden.
»Lust auf einen Gin?« Meredith hielt die Flasche über ein leeres Glas.
»Danke, nein.«
Nach einem kurzen Schulterzucken senkte sie die Flasche und goss trotzdem ein. Nachdem sie das Glas zur Hälfte gefüllt hatte, stellte sie die Flasche beiseite und hob das Glas an ihre Lippen.
»Stört es Sie sehr?«, fragte sie hinter ihrem Glas und lenkte einen bedeutungsvollen Blick an ihm vorbei in den Schankraum.
Rhys spähte eher beiläufig über seine Schulter, denn er war sich dessen gewärtig, was er dort sehen würde. Seine Erwartungen trogen ihn nicht. Alle im Raum starrten zu ihm. Ihre Augen waren mit Frevel, Faszination, Furcht oder einer Mischung aus diesen drei Befindlichkeiten erfüllt. Einige der Männer waren am Morgen bei dem Fackeln schwenkenden Mob gewesen. Drüben am Kamin saßen Harold und Laurence Symmonds, die ihn über ihre Bierkrüge hinweg mit hasserfüllten Blicken torpedierten.
»Sind sie Brüder oder Cousins?«, fragte er mit einem Kopfnicken zu den beiden grobschlächtigen Rabauken.
»Beides.« Angesichts seiner offenkundigen Verwirrung erklärte sie: »Ihre Mutter hat es mit ein paar ihrer Brüder getrieben. Niemand weiß so recht, wer von wem abstammt. Demnach sind sie sowohl Geschwister wie auch Cousins.«
»Das erklärt so einiges«, murmelte Rhys. Er drehte sich abermals zu Meredith und zuckte abschätzig mit den Schultern. »Dass sie mich anstarren, stört mich nicht. Derartiges bin ich gewohnt. Das erledigt sich mit der Zeit von selbst.«
Sie nippte an ihrem Gin, pflichtete ihm weder bei noch wiegelte sie ab.
»Wenn wir erst unsere Verlobung bekanntgeben«, fuhr er fort,
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