Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
alte, von den Römern angelegte Mühlkanal das felsdurchsetzte Torfmoor. Ihr Mund war mit einem Mal staubtrocken.
»Ich habe zu arbeiten. Hören Sie, Mer…« Er hob unwillkürlich einen Arm, spannte seinen Bizeps an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Mrs. Maddox. Sie vermögen gewiss …«
»Oh, um Himmels willen«, platzte sie heraus. »Würden Sie bitte ein Hemd anziehen, wenn Sie sich mit mir unterhalten?«
Sein Gesicht nahm eine rötliche Färbung an. »Selbstverständlich. Verzeihen Sie vielmals.« Er lief ein paar Meter den Abhang hinauf und schnappte nach einem weißen Stück Stoff. Als er sich danach bückte, bemerkte sie eine größere, ausgezackte Narbe auf seiner Schulter. Damit hatte sie die Antwort auf ihre Erwägungen von vorhin. Ganz offenkundig war die Musketenkugel an seinem Schulterblatt wieder ausgetreten.
Ein leichter Schauer durchfuhr sie, als Rhys zurückkehrte, sich das Hemd über den Kopf streifte und sich das Leinen locker um seine Taille bauschte.
Vielleicht brächte sie das wieder zur Vernunft. Vielleicht. Die Sonne brannte auf sie beide herab, und sie fasste den weisen Entschluss, ihre Zunge zu hüten und ein klärendes Gespräch auf später zu verschieben.
»Wir werden das heute Abend weiter erörtern«, eröffnete sie ihm. »Im Gasthof. Nachtessen gibt es um sechs Uhr. Sehen Sie zu, dass Sie pünktlich sind. Für das Mittagessen hab ich Ihnen was eingepackt.« Sie hielt ihm den Korb hin, und er griff verblüfft nach dem Henkel. »Sorgen Sie dafür, dass mein Vater genug Wasser trinkt und im Schatten bleibt, sonst sind Sie mir dafür verantwortlich, wenn es ihm nachher nicht gut geht. Das schöne Wetter scheint ja zu halten, aber sollte es Nebel geben oder ein Unwetter heraufziehen, dann bleiben Sie gefälligst beide hier oben, haben Sie mich verstanden? Ich schick nachher ein paar Männer hoch. Sie waren viel zu lange weg, als dass Sie in der Dunkelheit den Rückweg finden würden. Es fehlte mir gerade noch, dass Sie beide in irgendeine Schlucht stürzen.«
Rhys tastete mit Blicken den wolkenlos blauen Himmel ab, und seine Mundwinkel verzogen sich nach oben.
»Was?«, fragte sie schmallippig, denn sie fand das kein bisschen belustigend. »Was haben Sie jetzt wieder?«
»Sie reden schon wie eine Ehefrau.«
Sie beschrieb eine verdrießliche Geste mit der Hand. »Sie sind unerträglich.«
»Sehen Sie? Sie tun es schon wieder.«
Missmutig seufzend wandte sie sich von ihm ab, um den Heimweg anzutreten.
»Das war als Kompliment gemeint«, rief er ihr nach. »Es gefällt mir.«
Ihr gefiel es auch. Sogar ausnehmend gut. Und das war das Unerträglichste überhaupt.
6
A n jenem Abend hatte Rhys seinen dritten Teller Stew halb leergegessen, als er innehielt und zufrieden Atem schöpfte. Die schwere Arbeit hatte ihn hungrig gemacht, und er war auf eine befriedigende Weise erschöpft. Erschöpft von ehrlicher, sinnvoller Arbeit.
Angenehm gesättigt, lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete Meredith, die geschäftig durch die Taverne lief und sich dem Wohl der Gäste widmete. Er schüttelte den Kopf. Es war nicht in Ordnung. Sein Tagwerk war verrichtet, doch sie hatte gewiss noch Stunden zu tun. Hatte sie überhaupt schon zu Abend gegessen?
Kurz zuvor war eine kleine Reisegruppe eingetroffen, die Meredith gerade bewirtete. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters und zwei jüngere Frauen – eine der beiden war sicherlich seine Ehefrau und die andere deren Schwester oder Cousine, vermutete Rhys. Anhand ihres Umgangs miteinander hätte man wahrlich nicht einschätzen können, welche die Gemahlin und welche die Verwandte sein mochte. Der Mann war nämlich zu keiner der beiden höflich oder zuvorkommend. Eher gleichgültig. Als wäre der heilige Stand der Ehe eine Bestrafung! Sobald Meredith seine Gemahlin war, würde er, Rhys, sicherstellen, dass jeder Gast in der Schankstube mitbekam, dass sie zu ihm gehörte.
Heute Abend sah er sich indes genötigt, sich damit zufriedenzugeben, die Dame seines Herzens zu beobachten, wie sie sich um ihre Gäste kümmerte, wie sie ihnen dampfende Teller mit Speisen und Becher mit heißem Tee servierte und kurz mit ihnen über ihre Reise plauderte. Es missfiel ihm, dass sie sich derart schinden musste, doch sie selber erfüllte es offenkundig mit Stolz und Befriedigung.
Als sie auf dem Rückweg zur Theke seinen Tisch passierte, schenkte sie ihm ein Lächeln. Ein süßes, flüchtiges Hochziehen ihrer Mundwinkel –
Weitere Kostenlose Bücher