Zwei Toechter auf Pump
bedeckt ist mit den Narben der Zeit und vieler Stürme. Und diese Hände — sie haben meine Windeln gewaschen, meine Hemden gebügelt, meine Knöpfe angenäht. Wie viele tausend Male? Sie haben mir die ersten Buchstaben vorgemalt, Umschläge auf die fieberheiße Stirn gelegt...
Sie schneidet einen Faden ab, blickt auf und nimmt die Brille herunter: »Na, zieh ihn mal an.«
Ich tue es, sie zupft an den Schultern, tritt zurück, mustert mich von oben bis unten: »Bißchen muddelig. Ich hab’s gar nicht gemerkt, als ich ihn aus der Rumpelkammer holte. Sonst hätte ich ihn gestern noch gewaschen. Sieht aber keiner an so ‘nem Abend.«
Ich schaue in den Spiegel: »Laß man, Mulleken, er ist wunderschön. Ist er nicht ‘n bißchen zu warm?«
»Du brauchst ja nicht so ‘rumzutoben. Hier habe ich auch eine Maske. Daran hast du sicher nicht gedacht.«
»Nein.«
»Verlier sie nicht. Die hab’ ich getragen, auf meinem letzten Maskenball. Und nun mach, daß du zu deinen Mädchen kommst!«
Ich gebe ihr den Gutenachtkuß und steige die Treppe hinunter. »Mach, daß du zu deinen Mädchen kommst!« Wie lange ist es her, seit sie das zum letztenmal zu mir gesagt hat? Vierzig Jahre — mindestens. Damals war sie eine Frau auf der Höhe des Lebens, ich Primaner, der seine ersten Novellen schrieb und sich vor dem Spiegel im blasierten Herabziehen der Mundwinkel übte. War es nicht wie gestern, daß sie mich mit ihrer Jugend beglückten, die Blonden, die Dunklen, mit denen ich tanzte und die ich küßte, mit denen ich Tolstoj diskutierte und vom Portier auf der Kellertreppe erwischt wurde?
Ich stehe auf der hell erleuchteten Treppe in meinem Palastmantel und starre zum erstenmal meinem Alter ins Antlitz. Verdammt kalt, dieses Treppenhaus. Man friert direkt. Draußen höre ich einen Wagen. Jemand reißt fast die Klingel ab. Der Werner Müller wahrscheinlich. Er kommt mir plötzlich sehr gelegen. Ich öffne, und er bricht herein: »Gut, daß du schon angezogen bist! Du mußt mir gleich helfen, das Ding aus dem Wagen zu holen!«
»Was für ‘n Ding?«
»Na, das Kostüm.«
»Warum muß ich dir denn dabei helfen? Und wo sind die tollen
Frauen?«
»Nicht mitgekommen — wegen der Schwedin.«
»Verstehe ich alles nicht!«
»Brauchst du auch nicht, komm mit.«
Am Wagen stellt sich heraus, daß er tatsächlich Hilfe braucht. Eine höchst geheimnisvolle Sache jedenfalls, dieses Kostüm. Zwei runde, steife Schalen, ungefähr einen Meter lang und sorgfältig verpackt. Dazu noch ein kleineres Paket, etwas Rundes, Flaches, ziemlich schwer.
»Was ist denn das für ein fabelhaftes Kostüm?«
»Ich gehe als Ofen.«
»Als...?«
»Als Ofen! Und nun schramm bloß ab. Die Montage mache ich allein. Große Sensation. Davon werdet ihr in eurem Kuhdorf noch nach hundert Jahren reden.«
7
Als ich im >Königsbräu< ankomme, werde ich sofort von dem Viererklub Buddy, Thomas, Karl-Friedrich und Fred in Empfang genommen. Karl-Friedrich salutiert grinsend: »Situation well under control, Colonel! Don’t worry.«
»Augenblicklich«, berichtet Thomas, »tanzt sie mit dem Franzosen, aber auf die Dauer wird wohl der rothaarige Ami das Rennen machen.«
»In dem Moment, wo er sie anfaßt«, sagt Fred, »locken wir ihn vors Haus und machen ihn fertig.«
Das klingt unangenehm: »Ich will keine Schlägerei!« erkläre ich. »Der Mann tut ja schließlich nichts Unrechtes, wenn er ein bißchen mit ihr poussiert. Außerdem gehören immer zwei dazu. Wenn es mulmig wird, benachrichtigt ihr mich und Margot. Wo ist sie übrigens?«
»Kommt gerade«, meldet Thomas. »Was hat sie denn da?«
Margot erscheint und hat etwas unter dem Arm, was mir beängstigend bekannt vorkommt. Es ist der blau-weiße Reißverschluß-Kavalier von Susanne. Als Margot meinen Blick sieht, zuckt sie die Achseln: »Es ist wirklich ziemlich heiß. Ich bring’s nur schnell in die Garderobe.«
»Also schon Hula-Hula-Stadium? Was treibt sie denn augenblicklich?«
»Jérôme hat sie an die Bar geführt, aber dann hat er sich gedrückt, weil’s ihm zu teuer wurde. Jetzt hat sie Jimmy übernommen.«
»Wir passen beide auf sie auf«, versichert Buddy. »Sie können wirklich unbesorgt sein. Dieser Schlafrock wird Ihnen sicher auch zu heiß!«
»Schlafrock? Hm. Na, ich werde mich mal erst umsehen. Viel Spaß, Jungs.« Und damit werfe ich mich ins Gewühl. Schlafrock! Na ja, woher sollten denn die Bengels auch wissen, was ein Palastmantel ist. Bald habe ich es vergessen.
Es ist
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