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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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wirklich allerhand, was sich tut. Das Oberdorf scheint im ganzen Land herumtelefoniert und unseren bescheidenen Maskenball als eine Art Sensation angepriesen zu haben. Der Wirt hat sich dementsprechend gewaltig ins Zeug gelegt. Der vordere Saal ist ganz auf bayerisch abgestimmt, mit Blaskapelle, Riesenfaß und Gebirgen von Weißwürsten auf der Holztafel, die den Tanzraum umrandet. Hier tanzen und schwitzen >Ausländer< und Einheimische, manche von den Einheimischen in ihren uralten, wunderbaren Dämonenmasken aus geschnitztem Holz.
    Im Nebensaal spielt eine Jukebox etwas Südamerikanisches. Mit enormer Lautstärke und bei dunkelgrünem Licht. Darunter eine dichtverschlungene Masse von Leibern, die nach dem heißen Rhythmus wackelt. Zwei süße Cowboymädchen tanzen miteinander an mir vorüber und werfen Glutblicke. Ich werfe mich dazwischen: »Darf ich dieses reizende Duett auflösen?«
    Sie sehen mich an und beginnen dann mit den Nasen zu wackeln wie die Kaninchen. Die eine stößt mich mit dem Zeigefinger vor die Brust: »Aus welche Kiste ham se dir denn aus jebuddelt, Opa? Du riechst ja noch janz schön nach Mottenkugeln!« Die andere biegt sich vor Lachen: »Du bist wohl aus ‘m Wilhelm-Busch-Album? Der im Schlafrock, dem se Schießpulver in de Pfeife jetan ham?«
    Opa! Wilhelm Busch! Mir wird plötzlich brühheiß unter diesem verdammten Palastmantel. Wo ist ein Spiegel? Vielleicht draußen in der Garderobe. Ich kämpfe mich dem Ausgang zu. Die Tür ist — erinnere ich mich — neben der Musikbox, und neben dieser wiederum sitzt Buddy und hat Margot auf dem Schoß. Sie bemerken mich erst, als ich vor ihnen stehe: »Ihr solltet besser auf Susanne aufpassen!« sagte ich. »Wo ist denn hier ‘n Spiegel, Margot? In der Garderobe?«
    Sie springt auf und ist ganz verdattert: »Ja, Colonel. Was ist denn los?«
    »Ach, dieser Palastmantel hier...«
    Buddy nimmt meinen Arm und hilft mir, die letzten Meter bis zur Tür freizudrängeln: »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß Ihnen der Schlafrock zu heiß werden wird.«
    »Schlafrock! Das ist ein persischer Palastmantel, du Kulturniete! Ah — da ist ja der Spiegel. Hm. Na, das ist allerdings... «
    Ich drehe mich vor dem Spiegel hin und her, während mir Margot und Buddy voll diskreten Mitleids Zusehen. Im Spiegel bewegt sich eine schmuddelige Jammerfigur, der die Schweißtropfen unter der Maske vorlaufen und die — wie ich jetzt selber merke — außerdem nach Mottenpulver stinkt.
    »Das ist Mamas Geschoß«, sage ich ganz ruhig. »Na warte! Schönen Dank, Kinderchen. Geht schnell wieder ‘rein und paßt auf Susanne auf. Ich ziehe mich eben drüben um, aber richtig, das kann ich euch sagen!«
    »Ich würde mir diesmal wirklich Zeit lassen«, meint Buddy. »Sie versäumen ja nichts. Die Sache hier kommt erst langsam in Schwung. Und auf Susanne passen wir bestimmt auf.«
    Ich sehe ihnen gerührt nach. Zwei reizende Kinder. Das mit dem Schoß-Sitzen haben sie sicher nur getan, weil sie glauben, es gehöre dazu. Wahrscheinlich habe ich ihnen selber mal so was aus meiner Jugend erzählt. Wissen noch gar nicht, was es bedeutet. Ja, Jugend kann lustig und rührend zugleich sein.
    »Ist da wer?« fragt die Mama, als ich an der Tür den Schnee abschüttele.
    »Ja, hier ist wer. Nämlich dein Sohn, der sich jetzt erst mal ein richtiges Kostüm anziehen wird.«
    »Ja, aber...«
    »Gar kein Aber. Ausgelacht haben mich die Leute in diesem Mottenfrack! Wo hast du den roten Seidenschal?«
    Ich brause mit dem Schal durch die unteren Räume, ziehe eine alte, dunkle Hose an, winde den Schal darum, schneide zwei Gardinenringe von der Stange, klemme sie mir in die Ohrläppchen, binde mir ein Bauerntaschentuch um den Kopf, male mir Koteletten, Schnurrbart und Spitzbart mit Wimperntusche, reiße eine alte Duell-Pistole von der Wand, ramme sie mir in die Bauchbinde, stecke noch eine Maiskolbenpfeife zwischen die Zähne, werfe den Mantel über und brause wieder ab. Dabei passiere ich den Schloßgeist, der mit seinem >Palastmantel< über dem Arm fassungslos in der Bibliothek steht und die verstümmelte Gardine betrachtet.
    Ich eile durch eine Seitentür gleich in den kleineren Saal mit der Musikbox. Erst mal sehen, was meine verschiedenen Lämmerchen treiben. Da ist es plötzlich, als empfange ich einen Stich, einen feinen, genauen Florettstich mitten ins Herz. Das Radau-Instrument spielt einen Tango, einen uralten, sentimentalen Tango — aber zu seinen Klängen habe ich das letztemal mit

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